17. Dezember 2021
Vaterländische Operette
Es hätte mir
gefallen, in diesem Jahr zu erleben, daß sich dieses
Kulturvölkchen, dem ich mich zugehörig fühle, als ein Milieu
erweisen würde, welches bei allen denkbaren Differenzen auf
jeden Fall für Folgerichtigkeit und Kohärenz steht. Redliche
Diskurse. Intellektuelle Selbstachtung.
Wozu? Weil
wir nicht zulassen sollten, daß in schlampigen Ömpörungen
das geistige Leben des Gemeinwesens korrumpiert wird. Es
geht um Folgerichtigkeit und Kohärenz. Saubere
Argumentationslinien, statt Rhetorik und Phrasendrescherei.
Welches Kulturgeschehen sollte sich kraftvoll entfalten
können, wenn es darauf nicht ankäme? Dann wären PR-Budgets
für Agenturen und Propaganda ja völlig hinreichend.
Momentan sehe ich allerdings starke Tendenzen Richtung
vaterländische Operette. Ich hätte gerne erlebt, daß
öffentlich ein geistiges Leben von belegbarer Qualität
vertreten und verteidigt wird. Das sehe ich im Augenblick
noch nicht so recht. Wenn ich mich auch weit lieber
zentraleren künstlerischen Vorhaben widmen würde, derzeit
verlangen ein paar illustre Leute meine Aufmerksamkeit.
Zum Beispiel: Herr Gotte D., welcher mir nach einem
europäischen Weißen aussieht, aber erklärtermaßen vom
indischen Jangipur aus agiert. (Vielleicht genießt er dort
die höhere Kaufkraft seiner Pension.) Er wirbt für Kärnten,
kennt unseren Kaiser Franz und vor allem auch Herbert Kickl…
Aus Tagen, da Kickl und Strache noch Schulter an Schulter
standen.
Herr Gotte D. ist mir im Umfeld der Frau
Fide Veritas aufgefallen, die derzeit für eine Gleisdorfer
Traktor-Demo wirbt und sich grade durch ein spezielles
Posting selbst auf die Schulter klopft. Da heißt es etwa:
„Wenn du begreifst, was vorgeht, und das Gift nicht
genommen hast, dann hast du den größten psychologischen
Feldzug in der Geschichte der Menschheit überlebt.“
Damit wäre ein enger Horizont bezüglich der „Geschichte der
Menschheit“ illustriert. Wer überdies in unserem
wohlhabenden Teil Europas jetzt schon von einem
„Überlebthaben“ faseln, zeigt, daß der Blick über den
Tellerrand nicht gelingen will. In Belarus wird derzeit
überlebt; oder auch nicht. In Myanmar wird derzeit überlebt;
oder auch nicht. (In europäischen Flüchtlings-Camps hat man
auch reale Chancen zu verrecken.)
Aber was eine
gestandene Drama Queen ist, die hat das Zeug zum Heroischen.
Und das klingt dann so: „Sie haben es sogar geschafft,
deine Freunde und Menschen, die du liebst, gegen dich zu
wenden. Fast alle sind umgefallen. Aber du nicht. Du hast
dich selbst nie aufgegeben.“ (Gegen so viel Pathos
helfen auch keine Tabletten.)
Übrigens! Herr Gotte D.
mit seinem Faible für Franz Josef I. übersieht: unser aller
„Franzl“ war nicht nur ein höchst regierungsuntauglicher
Monarch, sondern vor allem Boss des Hauses Habsburg.
Somit ist Franz Josef I. verantwortlich für eine gestümperte
Aggression auf dem Balkan, die einen wesentlichen Anstoß zum
Großen Krieg mit seinem bis dahin beispiellosen
Völkerschlachten gab. Den ambitionierten Versuch, über
Bosnien und Herzegowina den Balkan zu kolonisieren, haben
seine Leute gründlich versemmelt, allen voran der verheerend
inkompetente Oskar Potiorek.
Ach, unsere
Heimatschützer sind oft derart auffallende Nieten, was die
Kenntnis ihres bevorzugten Schutzobjektes angeht, daß man
sich ernste Sorgen machen muß, ob sie denn überhaupt fähig
wären, wenigstens sich selbst zu schützen, wovor auch immer.
Aber vielleicht spielt das in Jangipur keine Rolle.
+)
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Wer es
noch im Gesamtzusammenhang sehen will: nach dem
Nationalkitsch also heroischer Pathos als Ersatz für
intellektuelle Selbstachtung. (Und was genau wäre demnach
"geistige Gesundheit"?)