9. Dezember 2021

Meine Allianz

Wie möchte ich verbleiben, nachdem die letzten Jahre sehr aufschlußreich waren? Da ist dieses Phänomen, daß einen nicht nur Companies umschwärmen, weil jemand an mein Geld möchte. Auch Bekannte verhalten sich gelegentlich so und selbst wer sich als Freund erweisen sollte, kann einen eventuell überraschen.

Die Kernfrage bleibt: wer behandelt dich als Mitmensch und wer behandelt dich als Ressource? Ich merke, es nimmt kein Ende, daß man seine diesbezüglichen Kriterien überprüfen und nachjustieren muß. Ansonsten stellt sich eine Art sozialer Verblödung ein, durch die man in eine merkwürdige Betäubung schlittern kann.

Ich verstehe übrigens, daß manche Menschen alle Kraft und alle verfügbaren Mittel für sich allein brauchen, für ihr eigenes System. Es erinnert mich ein wenig an das Kräftespiel von Koabhängigkeit. Dabei läßt man sich wie eine Art Reservebatterie in jemandes Leben einbauen, weil die Person von sich aus nicht genug Kraft aufbringt, um das eigene Dasein zu sichern.

Ich muß hier sicher nicht erläutern, daß jede Art der Gemeinschaft darauf angewiesen ist, von allen Beteiligten getragen und mit Ressourcen versorgt zu werden. Dazu scheint mir der Begriff Allianz ebenso nüchtern wie passend. Eine Übereinkunft zwischen gleichberechtigten Partnerinnen und Partnern.

Was Corona uns abverlangt, hat diese Gesellschaft ausreichend erschüttert, so daß wir derzeit recht gut sehen können, welche Defizite uns belasten und welche Bereiche wir möglicherweise vernachlässigt haben. Meine Allianz, das ist nichts, was nun zu gründen wäre. Es ergibt sich aus aktiver Anwesenheit und angemessenem Kommunikationsverhalten fast schon von selbst.

Allianzen. Vielleicht auch mit Leuten aus ganz verschiedenen Lagern. Sie ahnen, mich stört das Bild einer gespaltenen Gesellschaft keineswegs, denn ich hatte noch nie in meinem Lebens den Eindruck, diese Gesellschaft sei geeint, solidarisch, auf gleiche Chancen für alle und auf Verteilungsgerechtigkeit abgestellt.

Wir sind gespalten, fragmentiert, im Kontrast, auch im Widerspruch zueinander. Das halte ich für normal. Ich hab über die Lager und deren Flaggen nachgedacht. Hier eine kleine Skizze der Auffälligkeiten:

+) Wer mir all sein Gefühltes andienen muß, aber ein „Ich weiß es nicht“ keinesfalls über die Lippen bringt, lebt unter einer anderen Flagge als ich.

+) Wer weder Humor zeigt, noch zur Selbstironie fähig ist, dabei stets reizbar bleibt, lebt unter einer anderen Flagge als ich.

+) Wer mir vor allem Kolportage herschüttet, aber kaum erkennbar eigenes Denken zeigt, lebt unter einer anderen Flagge als ich.

+) Wer Dissens weder ertragen, noch als Anregung empfinden kann, lebt unter einer anderen Flagge als ich.

+) Wer alte Indianer oder Südseehäuptlinge strapaziert, um eine originelle Kritik unserer Gesellschaft hinzubekommen, lebt unter einer anderen Flagge als ich.

+) Wer Paulo Coelho korrekt zitiert, Dostojewski, Kafka und Voltaire aber mit gefälschten Sätzen, lebt unter einer anderen Flagge als ich.


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