30. November 2021
Stich
Mein Status: drei Impfungen. Zweimal
Moderna, einmal Pfizer. Damit stehe ich in einem anderen
Lager als etliche Menschen, mit denen ich laufend zu tun
hab. Als ich gestern von der Impfstraße zurückkam, traf ich
einen freundlichen Bekannten, der mir in unserer Plauderei
erklärte, er sei ungeimpft.
Das bedeutet zweierlei.
1) Wir leben unterschiedliche Konzepte. 2) Mich
interessieren die Motive von Menschen. Der Mann hat ein
Leben als einfallsreicher Unternehmer hinter sich, blickt
auf rund 80 Jahre zurück, in denen sich die Welt völlig
verändert hat. (Der vormalige Bauernbub erzählte mir ein
paar Details aus der alten agrarischen Welt.)
Wir sind uns einig, daß wir zu den Glückskindern der
Menschheitsgeschichte zählen. So komfortabel wie in unserer
Gegend war das Leben noch nie zuvor. Der Mann hatte sich
2020 infiziert und zum Glück einen eher leichten
Corona-Verlauf bekommen. „Ich hab mich auch noch nie
gegen Grippe impfen lassen.“ Vielleicht ist das eine
rein emotionale Entscheidung, die rational gar nicht
begründet werden muß. Ein Stück Selbstverständnis…
Aber der Mann hat reichlich Test-Kits vorrätig und nutzt sie
vor allem für Besuche, die er macht oder erhält. Das hat
zwei Gründe. „Ich will niemanden anstecken.“ Und es
ist eine soziale Geste, die ausdrückt: „Es ist mir nicht
egal. Ich bin Dir gegenüber achtsam!“
Er nickt
zu meiner Begründung für die drei Shots: Ich kenne die
Intensivstation als Patient. Da will ich nie mehr hin. Ich
hab genug Vertrauen in meinen Hausarzt und generell in die
Wissenschaft, um diesen Weg der Impfungen zu gehen.
Wir erzählen einander, was uns bewegt. Es gibt keinen Grund,
sich gegenseitig belehren zu wollen. Er mit seinen rund 80
Jahren, ich mit meinen 65, wir sind uns in einer simplen
Sache einig: Erwachsensein bedeutet a) Entscheidungen
treffen und b) die Konsequenzen tragen, ganz egal, von
welchem Wissensstand ich grade ausgehen mußte.
Der
Mann lacht. „Als Unternehmer hab ich das ständig machen
müssen. Manchmal ist es schiefgegangen.“ Für ihn wie
für mich gilt das gleiche Fazit: Wurde eine falsche
Entscheidung getroffen, muß eine neue Entscheidung getroffen
werden. Das kann ich nicht delegieren, kann es auf niemanden
abwälzen.
Das ist also unser Referenzsystem.
Eigenverantwortung. Der Umgang mit Mitmenschen. Bleibt noch,
was uns die Behörde an Reglements vorsetzt. Die können einem
mißfallen. Die wird man mißbilligen, wenn sie der Ausdruck
von Stümperei sind, was reichlich vorgekommen ist, seit wir
mit der Seuche leben.
Manche von uns werden sich nach
Kräften davor drücken, wie auch Halteverbote oder Speed
Limits ignoriert werden. Unterm Strich geht es aber um
Rechtssicherheit und daß die Kräfte der Republik keinen
Staat im Staat dulden werden. Man kann sich sowas
schönreden, Brecht oder Hannah Arendt zitieren, aber
letztlich bleibt es das Mafia-Prinzip: eine Gruppe macht
sich ihre eigenen Gesetze.
Wie wir sehen, bedeutet
das auch, manche Gruppen fechten das Gewaltmonopol des
Staates an, stellenweise wird das Faustrecht gefeiert. Das
kann sich niemand schönreden, solche Akte sind Dienst an der
Tyrannei.
+)
Kontext Covid-19
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