27. November 2021

Hooligan-Stil

Was für eine skurrile Situation. Ich war nie ein Pazifist, hab die Ausbildung an Infanteriewaffen gemocht, verbrachte einen nennenswerten Teil meines Lebens mit dem Motto „Nur keinen Streit vermeiden!“ Ausgerechnet ich argumentiere jetzt gegen die Drohkulisse, der sich hier Menschen widmen, denen mißfällt, was uns die Behörde bezüglich Corona auferlegt.

Ausgerechnet ich stoße mich an diesen Anflügen von einem Hooligan-Verhalten einiger Leute, wenn sie im Rudel verborgen sind. Allerdings bezweifle ich, daß die meisten von ihnen auch nur halb so hart drauf sind, wie im Straßenkampf erfahrene Hools.

Ich vermute da eher einen hohen Anteil der üblichen Duckmäuser, die ich übrigens in den letzten Jahren nie gesehen hab, wenn es darum ging, Bedingungen des Gemeinwesens zu verhandeln. Wo waren sie denn, als es genützt hätte, mit Leuten in Politik und Verwaltung Kontroversen zu riskieren, wenn Mängel an Kompetenz oder Redlichkeit feststanden?

All die Jahre auf dem Sofa und dann ein Steinwurf aus dem Dunkel? Ich finde es sehr provokant, wenn sich ausgerechnet solche Duckmäuser nun plötzlich für Momente hervortun, als würden sie die Staatsmacht herausfordern. So ein Radical Chic, wenn man sich vor seinen Leuten produzieren möchte?

Den Rücktritt eines Bürgermeisters zu fordern ist ja weder konzeptionell noch bezüglich des Effektes der Rede wert. Sowas macht hier die FPÖ seit Jahren und sonst schon nichts. Ich wünschte, die Duckmäuser würden stattdessen ihre Fäuste in den Taschen lassen und verfügbare Energie darauf verwenden, den Modus „Protektion vor Kompetenz“ im Gemeinwesen wegzuarbeiten. Das verlangt zum Beispiel, sich im Alltag diesen Themen zu stellen, Namen zu nennen, Situationen konkret zu beschreiben, sich zu exponieren.

Was uns von der Funktionärswelt mittlerweile an Inkompetenz zugemutet wurde, wird sowieso nicht in kurzer Zeit bearbeitet und gelöst sein. Dazu braucht es einen langen Atem und ein sachkundiges Engagement.

Wer aber meint, sich bei abendlichen Spaziergängen im Ausstoßen von Drohungen, im Belagern von Häusern und in rebellischen Posen ergehen zu müssen, sucht eine Abkürzung, die es nicht gibt. Es wird sich zeigen, was an Mumm wirklich verfügbar ist, wenn das erste Sonderkommando anrückt.

Ich höre schon, wie einige Hosenscheißer dann „Polizeistaat!“ rufen. Da sich etliches von all dem unter meinen Fenstern ereignet, stelle ich mir Popcorn bereit, um zu schauen, wie das ausgeht. Ich bin nämlich eindeutig dafür, das Gewaltmonopol beim Staat zu belassen und in Differenzen die Mühen des Verhandelns anzugehen.

Ich sehe keine Möglichkeit, das Faustrecht aus den Arsenalen zu holen, um damit politische Arbeit zu erledigen. Das alles heißt nicht, ich wäre damit einverstanden, was unserer Behörde tut. Das Ausmaß bisher gebotener Stümperei ist für blankes Entsetzen gut.

Aber ich deute das als ein kollektives Versagen des Gemeinwesens, zu dem ich mich auch selbst zählen darf, zu dem wir alle gehören. Genau! Dieses Gemeinwesen, das sind wir alle. Also müssen wir gemeinsam für die aktuellen Probleme einstehen. Wer sich da rausreklamiert und die Hooligan-Pose bevorzugt, hat womöglich den Begriff „Gemeinwesen“ nicht verstanden.

+) Kontext Covid-19


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