18. November 2021

Intelligenz

Manchmal darf ich bei Freunden einen Abend genießen, das ist fast so gut wie verreisen. Kontrastreiche Eindrücke, ungewohnte Geschmäcker, vorzüglicher Wein, anregende Begegnungen und Gespräche, manche Überraschungen. Das sind gute Gründe, um zu verreisen. Das ist eben auch einlösbar, wenn man nicht vom Fleck kommt; falls man mit inspirierten Menschen zu tun hat.

Ich hab gestern in einem anderen Zusammenhang notiert, wie seien „auf Gemeinschaft angewiesen, denn niemand ist alleine schlau. Wir genießen außerdem so manchen Komfort, dessen Kosten und Konsequenzen uns nicht unbedingt klar sind. Bewegt uns das zu Verzicht? Selten! Was dann an Risken bleibt, wird von meinen Mitmenschen ganz unterschiedlich bewertet. Ich kenne Leute, deren Leben hat was von Jahrzehnten in einem All inclusive-Cluburlaub mit Zimmerservice, Schirmchen-Drinks und stabilen Mauern, durch die Zivilisation und Wildnis getrennt erscheinen.“ [Quelle]

Das stammt aus meiner Intrada zu einer kleinen Leiste im Austria-Forum, zu der – wie es nun aussieht – mein Vertrauensarzt mir gelegentlich eine Glosse liefert. Es zeigt sich nämlich, daß allerhand Leute die Welt als persönliche Service-Einrichtung deuten und offenbar keine Ahnung haben, wie man einander in belasteten Zeiten begegnen sollte.

Ich hab keine Lust, jemandem die Welt zu erklären, zumal mir neuerdings eine recht hohe Quote bornierter Leute um die Ohren schwirrt, Menschen mit einem etwas aufgeblähten Ego. Da kann man über Einwände ohnehin nichts erreichen. Die müssen dann auf eigenen Kosten gegen irgendeine Wand rennen. Doch erzählen. Die Welt erzählen. Das ist meine Profession.

Und die Archive; also meine Archive. Ich blättere gelegentlich in einem Handbüchlein mit dem Titel „Krusches bevorzugte Mantras“. Zu dieser Blütenlese eines Halbgebildeten gehört auch folgender Satz: „Intelligenz ist die Fähigkeit, über einander widersprechenden Aussagen nicht den Verstand zu verlieren.“

Ich finde es lohnend, wenn man diese Worte etwas sickern läßt. Sie werden verstehen, was ich meine, wenn ich darauf hinweise, daß es nur in der Tyrannei keinen offenen Dissens gibt. Weshalb? Vermutlich wollen sich Tyrannen nicht mit der Möglichkeit zur Antwortvielfalt aufhalten. Was aber ist zwischen uns schiefgelaufen, daß Dissens so viel Angriffslust entfesseln kann?

Ich erlebe, daß jeder Widerspruch mir meine Konturen deutlicher macht. Falls ich mich geirrt habe, hat das Erleichterung zur Folge: endlich eine nächste Klarheit. Falls ich recht behalte: zugegeben, ein angenehmes Gefühl. Falls wir uneins bleiben, durch Auffassungsunterschiede getrennt, passiert ja genau… nichts. Und ich kann mit beiden Ergebnissen was anfangen, egal ob Konsens oder Dissens.

Aber was aufgeblähte Schnösel angeht, die irgendwas raushauen, ohne es zu begründen, die sich keiner Debatte stellen, sondern Definitionshoheit und Rang beanspruchen wie Wegelagerer, was also diese Leute angeht, ist meine Contenance nun erschöpft. Ich weiß freilich noch nicht genau, was das jetzt werden will.

PS: Die Fotos handeln von Irish Seafood Chowder.


[Kalender] [Reset]