3. November 2021

Warum?

Glauben Sie mir, ich weiß bessere Dinge zu tun, als den Bediensteten unserer Verwaltung auf die Nerven zu gehen und politische Kräfte zur Rede zu stellen. Ich bin seit Jahrzehnten ein leidenschaftlicher Lyriker. Ich mag es, Kunstprojekte in kollektiver Praxis umzusetzen. Ich bin ein vergnügter Akteur verschiedener Formen der Wissens- und Kulturarbeit in der Provinz.

Das bietet mir erfreuliche Teamsituationen; etwa bei den „Wegmarken“ oder zum Thema „Die Ehre des Handwerks“, aber auch im „Zeit.Raum“. (Siehe dazu den aktuellen Projektabschnitt „Prisma“!) Ich bin also eigentlich gut beschäftigt, sehr interessante Dinge zu tun.

Wenn aber unsere ohnehin schon schwierigen Bedingungen als Kunst- und Kulturschaffende in Zeiten von Corona durch Bequemlichkeiten und Kompetenzmängel situierter Leute im öffentlichen Dienst/öffentlichen Amt vertieft werden, dann muß ich mit damit befassen.

Und „Die Szene“? Schweigen? Oder: Es ist wohlfeil, über eine der letzten Regierungen herzuziehen. Dafür riskiert man gar nichts, denn die Zielpersonen des Unmuts sind weit weg und es bleibt fraglich, ob sie die individuellen Unmutsäußerungen überhaupt wahrnehmen. Da ist demnach viel Karaoke im Spiel.

Das wandelt sich erst zu einer anderen Situation, wenn ich mich konkreten Vorfällen in meinem eigenen Leben widme, wenn ich Menschen konkret zur Rede stelle, die eine Diskrepanz zwischen ihrem Sprechen und Tun zeigen, die mitunter Posen produzieren, von denen ihre konkreten Handlungen verdeckt, bemäntelt, beschönigt werden sollen.

Was ich nun sehe: da läßt sich eine „kritische Haltung“ ganz gut simulieren. Man kann auch Feminismus oder ökologisches Bewußtsein simulieren. Man mag in geschickten Inszenierungen den Eindruck erwecken, sich geistig und politisch auf der Höhe der Zeit zu bewegen, aber dahinter auf einem Sofa hocken und Vorteile konsumieren, für die sich andere Leute real ins Zeug legen.

In meiner unmittelbaren Umgebung, wo ich ganz gut sehen und einschätzen kann, wie Menschen handeln, scheint mir, daß oststeirische Intelligenz zu manchen Themen etwas zu sagen weiß. Ich sehe etwa das Thema Ökologie ganz gut vertreten. Menschenrechte haben als Thema auch so ihre Momente und Communities. Aber dann wird es schnell ruhiger.

Was kulturpolitische Fragen angeht, hat sich die aktuelle Agonie eigentlich noch vertieft, obwohl davon unser geistiges Leben betroffen ist, das mit der Zukunftsfähigkeit einer Gemeinschaft doch deutlich zusammenhängt.

Wie kurios, daß es nun Land und Bund sind, die innerhalb eines überschaubaren Zeitfensters nächste Akzente gesetzt haben. Nicht die Basis tat sich damit hervor, sondern die Kulturabteilung und das Ministerium. Da haben wir nun a) das Thema „Kulturstrategie 2030“ (Land Steiermark) und b) „Kunst- und Kulturstrategie 22“ (Bund).

Damit stehen wir vorerst in jener Tradition, die Österreich seit Josef II. prägt: Reformen kommen von oben. Was sich an der Basis tut, scheint sich vor allem im Wettlauf um Ressourcen zu erschöpfen, der durch Ideologie bemäntelt wird. Die individuellen Partikularinteressen kommen in Verkleidungen daher.

Warum kann ich mich nicht einfach unbehelligt um meine Lyrik, meine Themen, meine Kulturprojekte kümmern? Warum kapern Leute verfügbare Budgets für ganz andere Zwecke als die primär definierten Ziele heimischer Kulturpolitik? Warum werden Ämter und Positionen besetzt, und dürfen dann bezüglich ihrer Gestaltung wie Umsetzung nicht öffentlich debattiert werden? Fragen über Fragen…

+) Übersicht: Kulturpolitik


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