1. November 2021
Das halbe Jahrhundert
Von der Facebook-Erinnerungsmaschinerie wurde mir heute
eine feine Notiz auf den Tisch gehauen. Ich hab an anderer
Stelle schon erwähnt, daß ich ab zirka 1975 darüber
nachdachte, in der Kunst zu leben. Dazu paßt diese spezielle
Erinnerung aus dem Jahr 1976. Den kleinen Essay hatte mir
Autor Fritz Hochwälder damals mit einer Widmung versehen und
signiert.
Das ist ja eine Frage, deren Relevanz über all die Jahre
hinweg keinerlei Gewicht verloren hat: „Kann die Freiheit
überleben?“ Hochwälder ist 1986 – rund ein Jahrzehnt nach
unserer Begegnung - verstorben. Da hatte ich mich längst
entschieden und ein anderes Leben begonnen.
Passend
dazu, die Grazer Buchhandlung, in der ich 1977 von einen auf
den anderen Tag meine Kündigung aussprach und ging, hieß wie
der Verlag dieses Hochwälder-Essays: Styria. (Sie sehen, ich
neige zu romantischen Posen.)
Von meiner ersten Lesung in größerem Zusammenhang ist eine
Fotografie erhalten, dazu das Datum: 7. Juni 1977. Den
Kontext finden Sie im Austria-Forum in „Fragen
zur Szene“ näher beschrieben.
Damit möchte ich
deutlich machen, viel fehlt nicht mehr, auf daß ich rund 50
Jahre mit diesem Metier vertraut bin, so auch speziell mit
dem steirischen Kulturbetrieb. Das drückt sich unter anderem
in einer speziellen Querverbindung aus. Letzte Nacht, round
about midnight, rief mich Musiker Oliver Mally von unterwegs
an.
Er befand sich gerade auf dem Heimweg von
Darmstadt, nachdem er in Deutschland eine Reihe von
Konzerten gespielt hatte. Wir sind vor einiger Zeit zu einer
Quest aufgebrochen, für die wir uns die Aufgaben
unterschiedlich verteilt haben. Wir haben Konsens, daß eine
Ära geendet hat, der Umbruch schon geschehen ist, und daß
wir am Beginn einer nächsten Ära stehen.
Das bedeutet momentan vor allem eine Suche nach den
richtigen Fragen, denn vieles, was die nahe Zukunft prägen
wird, kann im Moment noch nicht gedacht werden. Wir sind
keine Visionäre, die mit verschränkten Beinen dasitzen und
orakeln. Wir sind Suchende.
Meine Verbindung mit
Mally ist inzwischen gut 30 Jahre schwer und handelt von
sehr unterschiedlichen Passagen. Dabei halte ich es für
einen Vorteil, daß er zehn Jahre jünger ist als ich, was
bedeutet, in einem Künstlerleben steht er schon für eine
andere Generation, deren Erfahrungen nicht die umfassend
gleichen Zusammenhänge haben wie meine.
Kontrast
erhöht die Sichtbarkeit im Blick auf die Dinge. Diese
Geschichte hat mit dem 27. April 1992 ein spezielles Datum.
Was die erwähnten 30 Jahre angeht, finden Sie hier
zusammengefaßt, denn das verdichtet sich diesen 2021er
November in einem Konzert in Gleisdorf: „Kontinuitäten“
(Die prozeßhafte Arbeit).
Das alles hat seine spezielle Markierung durch meinem
gestrigen Gang zur Bank, um einem Grazer Anwalt jenen
geforderten Betrag zu überweisen, der nun verhindert, daß
wir in einer kulturpolitischen Debatte zu Gericht gehen,
weil er mir namens zweier Mandantinnen Rufschädigung
vorwirft.
Ich hatte in einer meiner Glossen („Was
es wiegt, das hat’s“) eine Kritik publiziert, die sich –
wie mir zwei juristische Fachleute jüngst versicherten – vor
Gericht nicht beweisen läßt, weshalb mein Freispruch in der
Sache extrem unwahrscheinlich wäre. Daher würde alles, was
ich in dieser Frage weiter versuchen möchte, wohl nur teurer
werden.
Ich nehme das zur Kenntnis und deute es als
eine besondere Station im erwähnen Umbruch. Mir ist aus 50
Jahren im steirischen Kulturbetrieb keine vergleichbare
Situation bekannt. Wir sind also vermutlich in neuem
Fahrwasser angekommen.
+)
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