31. Oktober 2021

Blumensträußchen

Was das Leben in der Kunst angeht, läßt es sich natürlich nicht in einer Pose einlösen. Es ist im Grunde etwas Obsessives und darin natürlich keine Domäne des Kunstbereichs. Jedes Leben kann sich in solchen Kräftespielen ereignen, jede Profession ist dazu gut.

Wenn ich mich frage, weshalb und wozu sich manche Menschen auf derlei Motive draufhocken, dabei in Posen verfallen, sich ein Berufsbild quasi als Kostüm umhängen, komme ich auf einige Zusammenhänge.

Wer sich nach Relevanz, Tiefe und großen Emotionen verzehrt, aber ohne ausreichend Mumm durchs Leben kommen muß, wird sich eventuell kostümieren.

Wer so ein Metier im Grunde verachtet, aber das Prestige draus bedenkenlos verwerten will, wird sich eventuell kostümieren.

Wer sich einen Dreck um Inhalte schert und seinen Profit daraus ziehen mag, die Arbeit anderer Leute zu bewirtschaften, wird sich eventuell kostümieren.

Die Kostüme, die Posen, die Sprücheklopferei, das wird in jenen Salons durchsetzbar sein, wo Höflinge auf die Etikette achten und einander den Dienst tun, solche Inszenierungen nicht in Frage zu stellen.

Ich erinnere mich an eine Portion Unmut, die mir auf die Füße fiel, als ich einmal vorschlug, man könne im Gleisdorfer „Museum im Rathaus“ jeweils zu Jahresbeginn einige Laufmeter Acryl-Geplätscher hängen und da für den Rest des Jahres belassen.

Wer zu Fleißaufgaben neigt, kann das Zeug ab und zu umhängen, doch dieser Aufwand ist gar nicht nötig. Man lasse alles so hängen, wie es ist, veranstaltet alle zwei Monate eine Vernissage, bei der Dorfhonoratioren sich nach vorne stellen können, um uns mehrere Minuten zu Tode zu langweilen. (Das Genre „Grußwortopfer“.) Das ist der Preis fürs Gratisbufett.

Danach werden jeweils neue Hobbykräfte mit einem Blumensträußchen, wahlweise Weinfläschchen, dekoriert und für ihr künstlerisches Engagement demonstrativ beglückwünscht, auch wenn davon eventuell kaum etwas zu finden ist. Anschließend flankieren noch vier bis sechs Personen aus Politik und Verwaltung die solcherart gefeierte Person fürs Pressefoto.

Somit sind die Hauptfunktionen derartiger Kulturpolitik eingelöst:
+) Die teure Infrastruktur wird demonstrativ genutzt.
+) Die Bevölkerung bekommt gratis einen geselligen Abend geboten.
+) Regionale Produzenten können sich beim Bufett profilieren.
+) Kräfte aus Politik und Verwaltung kriegen ihre Sichtbarkeit in regionalen Medien.
+) Man muß sich nicht mit unbotmäßigen Künstlern und lästigen Fragen herumschlagen.
+) Durch solche Verfahrensweisen kann man einen Teil verfügbarer Kulturbudgets kapern und für andere Zwecke verbraten.
+) Das stärkt den Wettkampf im Rathaus, welche Abteilung mehr Personal und mehr Budget hat.

Nein, Sie haben ja völlig recht. Ich hab bloß schlecht geträumt. Sowas macht niemand, wie auch niemand versucht, einen Künstler zum Schweigen zu bringen. Sowas machen wir nicht. So sind wir nicht.

+) Übersicht: Kulturpolitik


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