18. Oktober 2021
Ideologie kann man nicht
verbieten
Ich unterbreche meine kunstgeschichtliche Betrachtung
kurz, um aktuelle Debatten-Momente hereinzuholen. Ich muß
darauf bestehen, daß wir im Streitfall besonders präzise
sind. In der laufenden Diskussion über Kommunismus in
Österreich wird oft sehr merkwürdig gemunkelt und
herumorakelt. Wir sorgen ganz unterschiedlich für die
Fundamente unserer Positionen. Es spricht nichts gegen
Dissens.
Ein praktisches Beispiel. Originalton:
„Und in Österreich ist es wahrscheinlich nur deswegen keine
verbotene Ideologie, weil die Kommunisten halt auch zu den
Opfern des NS-Regimes zählten und weil in der Nachkriegszeit
ein Verbot unserer Neutralität gefährdet hätte, zumindest
aus der Sicht der Sowjets.“
Meine Einwände
+) Zu:
„wahrscheinlich nur deswegen keine verbotene Ideologie“
Eine Ideologie kann man nicht verbieten, soll es auch in
einer Demokratie auf keinen Fall wollen. Denken muß in jeder
Hinsicht frei bleiben. Man muß sich einer unliebsamen
Ideenlehre stellen. Aber man kann eine Partei verbieten
lassen, falls die Rechtsgrundlagen dafür gegeben sind.
+) Zu: „weil die Kommunisten halt auch zu den Opfern
des NS-Regimes zählten“ Das ist pure Esoterik.
Staatsrecht und Verfassungsschutz werden diesen vermuteten
Zusammenhang kaum bestätigen oder gar belegen können. Es
ergibt auch politisch keinen Sinn. Ferner widerspricht
Österreichs Geschichte dieser Mutmaßung. (Dazu gleich zwei
Beispiele.)
+) Zu: „und weil in der
Nachkriegszeit ein Verbot unserer Neutralität gefährdet
hätte“ Wohl kaum! Erinnert sich jemand wenigstens
aus der Lektüre von Geschichtsbüchern an den angeblichen
„kommunistischen Putsch“ von 1950? Die Presse: „Die junge
Republik muss sich erstmals bewähren. Im Nationalrat rechnen
die Koalitionsparteien mit den Kommunisten scharf ab.“
[Quelle]
Die
völlige Unfähigkeit zu einer sachlichen Auseinandesetzung, in
Bestform ausgedrückt.
+) Zu: „zumindest aus der Sicht der Sowjets.“
Und selbst wenn es dazu sowjetische Einwände gegeben hätte,
hätten sich unsere Leute spätestens 1956 nicht mehr darum
geschert. Wien Museum: „Mehr als 180.000 Ungarn flohen
1956 vor den sowjetischen Panzern über die burgenländische
Grenze in den Westen, viele davon landeten – zumindest
vorübergehend – in Wien.“ [Quelle]
Solche Argumentationslinien können wir also abhaken.
Bliebe die Herausforderung (offenbar auch für die steirische
ÖVP!), sich dieser steirischen KPÖ ideologisch zu stellen,
die besseren Konzepte und Argumente vorzulegen, statt einen
Scheindiskurs zu bemühen.
Nun habe ich mehrfach
erlebt, daß in dieser Debatte behauptet wurde, schon im
„Kommunistischen Manifest“ seien Menschenverachtung und
Massenmord angelegt, womöglich sogar intendiert. Daher
trügen Marx und Engels eine Verantwortung für das, was
gekommen ist.
Ich bestreite diese Schlußfolgerungen
und behaupte überdies, nichts davon sei in jenem Text auch
nur intendiert. Wer so argumentiert, begeht sogenannte
Rückübertragung, indem er die heutige Sicht der Dinge in ein
historisches Dokument projiziert. Das ist mindestens total
unwissenschaftlich und sollte einem Akademiker nicht
passieren. Dazu im nächsten Eintrag ein kleines
Gedankenexperiment!
+)
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