6. Oktober 2021

Der Staub legt sich

Was haben wir nun? Allerhand Dissens. Unscharfe Ränder. Der Staub legt sich. Es scheint klar, daß Kräfte der FPÖ, ÖVP und SPÖ übereinstimmen: die Kommunistin Elke Kahr sollte Mandatsverzicht üben, auch wenn sie Grazer Wahlsiegerin ist.

Weshalb? Weil, so höre und lese ich, die steirische KPÖ eine menschenverachtende Ideologie repräsentiere und in einer Tradition stehe, die über Stalin auf Karl Marx zurückreiche. Das sind sehr ernste Vorwürfe, verbunden mit der Intention, einen demokratischen Prozeß (Wahlen) zu übersteuern. Da muß man dann in der Begründung genau sein.

Ich staune übrigens, daß christlichsoziales Politikpersonal derzeit das Stichwort Mandatsverzicht implizit in Umlauf bringt. Am 30.9.2021 war über Frankreichs Ex-Präsident zu lesen: „Illegale Wahlkampffinanzierung - Sarkozy zu einem Jahr Haft verurteilt“. [Quelle] Für die gleiche Art von kriminellem Einfluß auf Wahlen, mit Millionen über dem gesetzlichen Limit finanziert, blieb Sebastian Kurz und seine ÖVP bis heute unbehelligt.

Ich sehe ein, Moral ist ein langweiliges Thema. Bleiben wir also lieber bei Fragen der Kohärenz. Wenn ich Marx und Engels erwähne, halte ich es für unredlich, mehr noch, für völligen Unfug, sie mit Lenin, Stalin und Mao zu assoziieren, denn das verkehrt den Lauf der Dinge. „Das kommunistische Manifest“ ist eine Denkschrift, ein lesenswertes historisches Dokument.

Der Philosoph und Ökonom Marx liefert uns eine anschauliche Beschreibung verschiedener Kräftespiele der Ersten Industriellen Revolution. Seinen Koautor Friedrich Engels bekam ich in meiner laufenden Debatte auf Facebook von Richard Hubmann skizziert, einem versierten Bauern mit starkem Interesse an Ökonomie.

Hubmann: „Friedrich Engels war vielleicht Historiker und Philosoph, er war hauptberuflich aber selbst Unternehmer. Sein Werk ‚Die Lage der arbeitenden Klasse in England‘ war nicht nur akribisch recherchiert, was das damals vorhandenen Zahlen-Material zum Thema betrifft, sondern er berichtete aus erster Hand.“

In der Geschichtswissenschaft ist dieser Status von Engels unbestritten. Alexandra Przyrembel: „Bei Die Lage der arbeitenden Klasse in England von Friedrich Engels (1820-1895), 1845 erschienen, handelt es sich um eine mehrere hundert Seiten lange Schrift, in welchem die Arbeits- und Lebensbedingungen des britischen Proletariats von Manchester über London bis nach Edinburgh beschrieben werden.“ [Quelle: Clio-online – Historisches Fachinformationssystem e.V.]

Ich muß daher Kommentare wie diesen für eine ideologisch begründete Fehlleistung halten: „…es ist kein Zufall, dass alle kommunistischen Versuche bei jenen Herren geendet sind, die du zitiert hast. Denn alles, was in dem von dir zitierten Manifest steht, setzt voraus, dass die Freiheit des einzelnen zerstört wird.“ (Wolfgang W.)

Selbst wenn das Manifest anfechtbar wäre (Konjunktiv!), ließe sich daraus heute keine Aufforderung zum Mandatsverzicht ableiten. Wer die steirische KPÖ zum Rückzug auffordern möchte, sollte mir andere Argumente vorlegen.

Ich muß als Autor darauf bestehen, daß Texte samt ihrem Subtext und Kontext seriös behandelt werden. Das ist ein interessanter Kommentar: „Denn alles, was in dem von dir zitierten Manifest steht, setzt voraus, dass die Freiheit des Einzelnen zerstört wird. Nein, lieber Martin, du wirst von mir keinen Millimeter Verständnis für diese Ideologie bekommen. Und wie gesagt: es wird wichtig er, junge Menschen darüber aufzuklären, wie sehr frühere Generationen darum gekämpft haben, diese Geißel der Menschheit loszuwerden.“ (Wolfgang W.)

Er ist bloß auf das Manifest von Marx und Engels in redlicher Weise nicht anwendbar. Aber ich gebe Ihnen ein Beispiel, welche Art der Texte sich dafür eignet. Zitat:

Steirische Holzer holzt mir gut
mit Büchsenkolben die Serbenbrut!
Steirische Jäger trefft mir glatt
Den russischen Zottelbären aufs Blatt!
Steirische Winzer presst mir fein
Aus Welschlandfrüchten blutroten Wein!


So nachzulesen in einem damals populären Buch des Waldbauernbuben und des Priesters, nämlich: Rosegger, Peter / Kernstock, Ottokar, Steirischer Waffensegen. Buchschmuck von Marie Freiin Baselli von Süßenberg. Graz, Verlag Leykam, 1916. (Siehe dazu auch meine Notiz über Viktor Geramb in: „Redlichkeit“!)

+) Wachsende Unruhe (Übersicht)


[Kalender] [Reset]