17. August 2021

Kabul

Wie das schon klingt! Und welche Zumutung, daß wir uns anschauen müssen, wie eine vorherrschende Männerkultur sich in schlechten Schuhen und langen Bärten austobt, um Bildung einzuengen, Widerspruch niederzuschlagen, Frauen im Status von Haustieren zu halten.

Wie erstaunlich einig sind sich viele um mich herum: das ist ja Mittelalter! Eine dumme Metapher! Solche Ignoranz gegenüber der Geschichte, gegenüber atemberaubenden Jahrhunderten, wenn man das geistige Leben beachtet, das sich im Mittelalter eben AUCH manifestiert hat.


Ja, die bärtigen Eiferer in Waffen, wie sie alles niederrennen, was sich nicht wehrt. Wie sie sich Frauen zurichten, daß einem von den Berichten und Bildern schlecht wird. Die rohen Varianten des Patriarchats aus einer vor allem agrarischen Welt, aus der auch unsere Leute hervorgegangen sind. (Bei uns klappt das alles auch gut, in besseren Klamotten und meist ohne Knarre, insgesamt etwas luftiger verteilt.)

Das mit dem Eifern, dem räuberischen Zugriffen auf die Ressourcen anderer, mit dem gewalttätigen Umgang, der Kinder und Frauen besonders hart trifft? Dazu die sexualisierte Gewalt, das Schlagen, das Auspeitschen, was für gute Gründe zur Ömpörung…

Pardon! Habe ich jetzt was übersehen? Ist es uns nicht gelungen, all das genauso zu erhalten, aber in bessere Garderobe zu packen und in feinere Häuser zu stecken? Das Ausplündern ganzer Volkswirtschaften. Das Berauben von Menschen und das Zurichten der Leute. Die innerfamiliäre Gewalt und die sexualisierte Gewalt. Frauen wie Haustiere zu behandeln. Das Ersticken von Widerspruch, das Korrumpieren kritischer Diskurse. Das Manipulieren der Abhängigen, der Subalternen.


Mannomann! Wir haben es nötig, uns die Taliban und andere Konsorten als Referenz-Deppen zurechtzustellen. Was immer die an schändlichen Dingen machen, kriegen etliche Kanaillen unter meinen Leuten auch hin, bloß ohne Kalaschnikow, Bart und Turban. Das Ausmaß dieser Schändlichkeiten unter uns Zivilisierten wollen Sie vermutlich nicht genauer wissen.

Es sind andere Modi, andere Hinterhältigkeiten, andere Zwangsmaßnahmen. Aber es ist die gleiche vorherrschende Männerkultur. Nein, ich weiß, Österreich ist nicht Afghanistan, Deutschland ist es auch nicht, wir haben von allen guten Dingen mehr, viel mehr, und das ist uns nicht geschenkt worden. Dafür haben Leute gelitten, geblutet, gekämpft. Ich weiß das zu schätzen. Sehr sogar, denn zur Zeit meiner Großväter wäre eine Existenz wie meine völlig unmöglich gewesen.

Meine Leute haben noch vor wenigen Jahrzehnten über die Tore von Auschwitz geschrieben: „Arbeit macht frei“. Daher weiß ich: Freiheit macht Arbeit! Diese Arbeit ist nicht damit getan, sich über einen verpeilten Talib zu empören, der sich mit seinen Kumpeln zusammenrottet, um Schulmädchen mit der Knarre zu bedrohen.

+) Die neue Bourgeoisie


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