13. August 2021

Verschnöselung

Ich bin mit Sicherheit ein Kulturoptimist. Hauptsächlich deshalb, weil ich Pessimismus so langweilig finde. Falls sich jemand bemüht, mich direkt und unverhüllt zu beleidigen, trifft mich sowas nicht halb so hart wie wenn mir jemand einen Mangel an Esprit zumutet. Wer mich an den Rand einer Depression drängen will, zeigt dazu noch ein Defizit an intellektueller Selbstachtung und zack! Ich gehe in die Knie.

Das sind Aspekte dessen, womit ich mich in der Glossen-Serie „Was es wiegt, das hat’s“ befasse. Ich behaupte, in der Steiermark habe sich das Korrumpieren von erheblichen Bereichen des geistigen Lebens durchgesetzt. Es mag weiter reichen, mag ein gesamtösterreichisches Phänomen sein, ich kommentiere, was mir in meinem direkt erfahrbaren Lebensraum unterkommt.


Künstler Niki Passath beschäftigen diese Dinge ebenso. Er hat einen größeren Erfahrungsraum und an diesen Dingen ein umfassenderes Interesse. Ähnlich Musiker Oliver Mally, der seit etlichen Wochen auf Tour ist. Wir leben mit ganz verschiedenen Blickwinkeln in der Kunst. Ich bin von uns dreien sicher derzeit mit den geringsten Berührungspunkten, was reale Personen im realen Kulturbetrieb angeht.

Diese Unterschiedlichkeit der Erfahrungsräume ist von Vorteil, wo wir uns einig sind, daß der Status quo erhoben, betrachtet, bewertet werden muß. Was uns drei auf jeden Fall verbindet, ist die Überzeugung, Künstler zu sein sei eine Profession. Deshalb können wir angeregt darüber reden, was wir für Professionalität halten und was nicht.

Wir können uns ferner sachkundig darüber austauschen, was wir vom Kulturbetrieb erwarten und welche Aspekte uns kritikwürdig erscheinen, was an Defiziten festzustellen sei, was schiefläuft. Und dieses eisige Schweigen, daß ich schon so lange erlebe? Dieses weitreichende Fehlen eines öffentlichen kulturpolitischen Diskurses?


Mally erlebt das. Ich beschreibe das. Passath bekräftigt: es wird weggeschwiegen. Und zwar unter energischer Mitwirkung vieler Künstlerinnen und Künstler. Das meint, es gebe meist die Simulation kritischer Debatten, aber das ist strategisch angelegt, wird auf eine Art rausgehauen, daß sich an der Situation möglichst nichts rührt. (Don’t rock the boat!) Das ist einer der markantesten Effekte einer voranschreitenden Verschnöselung des Kulturbetriebs.

Was ich Verschnöselung nenne, ist keineswegs bloß ein Provinz-Phänomen. Ein Bildungsbürgertum, das die Bildung aufgegeben hat, macht heute offenbar dominante Anteile des Kulturvölkchens aus. Damit stehen Publikums-Einbrüche im Zusammenhang, das hat auch seine Effekte unter den primären Kräften des Betriebs. Ferner sind Politik und Verwaltung davon intensiv betroffen.

Was ich regional erlebe, wenn es um Fragen der Kunst geht, ereignet sich ebenso herzergreifend im Landeszentrum. Ist das nun die gute oder die schlechte Nachricht? Na, wir werden noch allerhand Klarheiten herausarbeiten können.

+) Was es wiegt, das hat’s
+) Die neue Bourgeoisie


[Kalender] [Reset]