12. August 2021
Zugbrücke hoch, Tor zu!
Der fällige Einkauf und dann, während ich zwischen den
Regalen nach den notwendigen Dingen Ausschau halte, höre ich
Lynyrd Skynyrd: „Sweet Home Alabama“. Mir war schon vor
Jahren klar, wenn sowas passiert, ist meine Ära zu Ende.
Oder: Wißbegier. Ist aus der Mode gekommen. Genauigkeit
im Ansprechen von Umständen. Ist aus der Mode gekommen.
Diskursfähigkeit. Na, wird schon noch wo vorhanden sein.
Kürzlich sah ich wieder Fotos mit Menschen, die trugen
Masken, auf denen stand „Diktatur“. Wenn das also –
Österreich und Deutschland – einer Diktatur nahekäme, mit
welchen Begriffen reden wir dann über Belarus, Syrien, den
Libanon und derlei Gegenden? Wie reden wir über die Welt,
wenn wir für unsere Komfort-Zone schon die stärksten
Begriffe vergeuden?
Das macht doch nur, wer einen zu kleinen Wortschatz hat und
zu wenig Horizont, auf daß wenige Beschreibungen für vieles
passen müssen; oder für alles. Was ich dieser Tage immer
noch an Klagen höre, daß uns Reglements zu sehr einschränken
würden, was das für eine Bürde sei und welche Gefährdung
unserer Freiheit...
Ja wie? Jetzt werdet Ihr nervös,
Leute? Wo hab ich Euch denn die letzten zehn Jahre
übersehen, denn da müßt Ihr doch wo gewesen sein, als wir
nämlich nicht über Anmaßungen irgendwo, in Wien, Berlin oder
Brüssel zu räsonieren hatten, sondern wo wir hier vor Ort
etliche Dinge hätten klären sollen?
Ich konnte zu
Hause ohne Mühe zusehen, wie spätestens ab 2010 der
Spielraum aller eingebrochen ist und wie im Kielwasser
amerikanischer Mißstände (Banken- und Börsencrashes) ein
Sturm ansetzte, der uns bis heute frieren läßt, selbst im
Sommer.
Also Gleisdorf, Weiz, auch Graz. Namen
nennen, Umstände nennen, sich exponieren, etwas riskieren,
um Änderungsschritte streiten. Nein, keine Junta war zu
beklagen, sondern eine neue Bourgeoisie zur Rede zu stellen,
die sich Schritt für Schritt und Monat für Monat mehr
Möglichkeiten genommen hat; teils gegen geltende Regeln,
denen sie sich einst mit lauter Stimme selbst verpflichtet
hatten.
Ihr habt mir gefehlt, Leute! Eure Hellsichtigkeit und Euer
Talent zu all den klaren, stichhaltigen Befunden, Euer Mut,
sich damit aus dem Fenster zu lehnen, Konfrontationen in
Kauf zu nehmen. Was nützt es mir, wenn Ihr jetzt via Social
Media über Kurz und Kogler herzieht? Was nützen mir Eure
frechen Kalenderblättchen, die geliked und geteilt werden?
Das ist bloß Karaoke.
Dieser nutzlose Radical Chic.
Das stecken die gut frisierten Buberl-Partien weg wie
nichts. Da draußen sind genug PR-Budges und diensteifrige
Leute der Werbebranche, die zusammenfinden, um den Status
quo mit Public Relations flach zu machen. Kein Problem!
Dagegen anzujammern ist wie in den Atlantik zu spucken. Kann
man machen. Bedeutet aber nichts.
Was also? Ganz
konkret und genau da, wo man steht, können nächste
Klarheiten entstehen. Im Verzicht auf verdeckte Intentionen
und im Verzicht auf Doppelbödigkeit. Was ich denken kann,
können Sie auch denken. Wenn ich für ein Fließgleichgewicht
zwischen dem Denken, Reden und Tun sorgen kann, können Sie
es auch. Und wenn sie mir das bloß vorgaukeln, werde ich es
merken. Vielleicht heute, vielleicht morgen, eventuell erst
in einem Jahr. Egal! Es zeigt sich. Und wer sich damit
begnügt, wird untergehen. So einfach ist das.
Post Skriptum
Das toskanische Dorf Monteriggioni scheint jene Form zu
haben, die eine Vorstellung bietet, welche Dimension
menschliches Denken ohne große Mühe bewältigt. Die Mauer
einzureißen und den Horizont zu öffnen ist dabei keine
ausgemachte Sache. Kann man machen. Aber niemand zwingt uns
dazu... (Luftaufnahme: Maurizio Moro5153. Porta Franca:
Palickap. Beide: CC BY-SA 4.0)
+)
Die
neue Bourgeoisie
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