6. August 2021

Abendstille. Fast.

Freitag, früher Abend. Endlich schweigen die Baumaschinen. Dafür laufen die Rasenmäher. Aber unter Bedingungen der Seuche hat sich insgesamt wenigstens der Straßenverkehr in manchen Bereichen sehr beruhigt. Der Parkplatz unter meinen Fenstern ist manchmal völlig leer. Das hat eine eigentümliche Schönheit.

Doch seit gegenüber das Testzentrum eingerichtet wurde, stellen sich laufend jene Schnösel ein, die ihre Silhouetten per Geräusch vergrößern müssen. Eine Art des Krawall-Gockels, der auf seinem schweren Motorrad anrollt und dabei über seine Auspuffanlage raustrompetet: „Seht her, hier kommt ein Kerl!“ Das ist freilich eine Teenager-Pose und bis auf die Knochen uncool.


Inzwischen klingen ja auch hiesige Vespas gerne, als kämen sie gerade von der Rennstrecke. Dieselbe Art kindlicher Dummheit, um sich phonetisch breite Schultern zu basteln. Ich bin dieser völlig antiquierten Seite der Männerkultur etwas müde, muß aber eventuell begreifen, daß solche Posen unausrottbare Kulturgüter sind. Etwa so wie seinerzeit Schuhplatteln oder Edelweiß pflücken und Gamsbock schießen. Das testosterongetränkte Männchen demonstriert seine Potenz, egal, ob das wer wissen will.

Ich erlebe derlei Gehampel grade in so starkem Kontrast zu meinen Begegnungen mit den alten Hacklern, den Schraubern und Sammlern. Menschen, die ihre Talente über Jahrzehnte entwickelt und verfeinert, ihre Obsessionen vertieft und auf viele Arten manifestiert haben.

Meine Erkundung dessen, was man „Die Ehre des Handwerks“ nennen könnte, handelt zwar auch von gelegentlich etwas lauten Maschinen, aber die Lautstärker hat dabei keine symbolische Funktion, sondern ist bloß Betriebsgeräusch. Na, vielleicht abgesehen von einigen Muscle Cars und Hot Rods. Aber das ist ein anderes Segment möglicher Subkulturen.



Typischer Schraber, nie laut, aber präzise:
Luis Pfundner in seiner Wunderkammer

Dann wären da noch Felder, auf denen es gerade sagenhaft leise ist. Eisige Stille. Kulturpolitik. Diese ganz konkreten Verhältnisse. War da nicht eben noch über Monate rasende Ömpörung ob der kritischen Situationen? Allgemeine Verwünschungen und große Gesten. Aber jetzt, wo es darum ginge, diese Verhältnisse ganz konkret aufzudröseln, um Veränderungen einzuleiten, herrscht… Stille.

Das erkunde ich gerade rund um meine Debattenleiste „Was es wiegt, das hat‘s“. Ich mag diesen Spruch sehr, denn er ist von unübertrefflicher Klarheit. Was ist der Punkt und wo kommen wir auf den Punkt? Wer sind die Heuchler und die Nutznießer merkwürdiger Netzwerke, in denen ohne unser Beisein verhandelt wird, welche Ressourcen wem zur Verfügung stehen? Das ist kein anonymes Geschehen.

Da gibt es konkret adressierbare Personen, die sich der Debatte stellen sollten, die wir also zur Rede stellen müssen, falls sich am Lauf der Dinge etwas ändern soll. Und wo sind sie nun, meine aufgeregten Kolleginnen und Kollegen? Ich sehe derzeit viel an Ersatzhandlungen, an Kommentkämpfen und… geduckten Haltungen im Schweigen.

Wie simuliert man (kultur-) politisches Handeln? Man formuliert ganz allgemein Kritik, möglichst in originellen Bonmots, haut womöglich damit beschriftete Kalenderblättchen raus, wird aber nie konkret bezüglich der Verhältnisse vor Ort und der dort handelnden Personen.

So punktet man laufend in der eigenen Community, bekommt viel Zustimmung (Likes!), manchmal sogar von jenen, die mit der Kritik gemeint sind, und verdirbt es sich mit niemandem, hält sich alle Optionen offen. In genau dieser Art von Heuchelei dienen sich Leute der Tyrannis an und tanzen im Kostüm der kritischen Geister…

+) Die Ehre des Handwerks
+) Was es wiegt, das hat‘s


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