23. Juli 2021

Gastfreundschaft

Die Tage verfliegen mir. Ein Hinweis, daß da draußen wieder mehr los ist und ich darin zunehmend verstrickt werde. Wenn mich pro Woche inzwischen mehr als fünf Telefonate erreichen, denke ich: eine Sekretärin wäre gut; zumal ich neuerdings auch wieder allwöchentlich der bis fünf Termine außer Haus habe.


Sie ahnen sicher, ich scherze. Ein wenig. Die Zunahme an realer sozialer Begegnung ist ein großes Vergnügen, auch wenn ich in mir Barrieren fühle. Das kommt gewiß von den tausenden Stunden in der Stille. (Die reichen erheblich hinter die Corona-Krise zurück.)

Mit geht schon eine Weile das Thema Gastfreundschaft durch den Kopf. Einerseits dank konkreter Abende, wenn etwa Inge und Franz Wolfmayer zu Tisch bitten. Andrerseits durch Debatten und das Nachdenken darüber.


Bei Inge und Franz wird in diesen Dingen ein sehr hohes Niveau gepflegt. Das meint nicht nur die Dinge, die auf den Tisch kommen, sondern auch die Atmosphäre, die Gespräche, den Raum für mögliche Differenzen.

Gastfreundschaft als ein Konzept wechselseitiger Verpflichtungen. Gastfreundschaft als frühe Übung, sich mit dem Fremden einzurichten. Gastfreundschaft als ein soziales Konzept, in dem die Wurzeln einer Debatte über Kategorien wie Solidarität liegen.

Woher kommen solch Ambitionen und Qualitäten? Wie pflegt man sie und wie setzt man sie ein, um auch die eigene Zukunftsfähigkeit zu verbessern? Wir landen letztlich immer wieder dort, daß ein Gemeinwesen nicht aus Proklamationen erwächst, sondern aus gemeinsamem Tun.

Oder ich darf bei einem der alten Schrauber zu Gast sein. Manche davon Keuschlerbuben, die unter Bedingungen aufgewachsen sind, wie sie sich heute in meiner Umgebung niemand mehr vorstellen mag. Wenn ich vergleichsweise an all das Gezänk denke, das rund um die 2020er Lockdowns entstanden ist, all die Ömpörung über Komforteinbußen…

Und dann komme ich an Plätze, wo einst das Essen sehr karg war, manchmal ausfiel, und ums Hauseck die Armut lauerte. Wie werde ich in solchen Häusern empfangen? Wie begegnet man mir, dem Fremden, dem, der „Bücher z’sammschreibt“ und folglich aus einer ganz anderen Welt kommt?

Ich lerne grade wieder viel über den achtsamen Umgang mit Unterschieden, mit Kontrasten, auch mit Kontroversiellem. Dann komme ich auf dieses Motiv: „Wie können wir einander Fremde sein ohne einander Feinde zu sein?“

PS:
Der Rotwein war ein Thierry Faiveley, Latricières-Chambertin 1961, der Fisch ein Butt.


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