17. Juni 2021

Wegmarken

Ich bin heute für eine nötige Recherche möglichst früh raus, um der Tageshitze zu entgehen. Die Elektrokarre ist recht komfortabel, wenn ich hinter den sieben Bergen nach einzelnen Wegmarken suche. So etwa in Wetzawinkel, an einem entlegenen Platz. Ein mächtiger Breitpfeiler zwischen hohen, alten Begleitbäumen.

Dort vor allem Bilder von sehr guter graphischer Qualität, was bei solchen Monumenten der Volksfrömmigkeit nicht die Regel ist. Natürlich bin ich mich auf diesen Abwegen auch verfahren. Das ist eigentliche immer aufschlußreich. Dinge entdecken, die ich nicht gesucht habe.


Zu meinen Fundstücken gehört unter anderem das Stück von einem Hornissennest. Ich bestaune diese papierenen Konstruktionen. So viel Arbeit für diese Tiere, denn sie kauen das Baumaterial und bringen es mit den Mäulern an. Da denke ich natürlich über Bauwerke nach. Ich bin derzeit durchaus begünstigt.

Die Basis meiner Wohnung ist ein altes Wirtschaftsgebäude. Es sind bis zum ersten Stock, wo meine Wohnung beginnt, sehr dicke Ziegelwände. Ich war nun neugierig und hab es nachgemessen. Im Erdgeschoß bringt es die Mauer auf rund 60 Zentimeter. Im ersten Stock sind es immer noch rund 45 Zentimeter. Da kann ich also die Kühle der Nacht einsperren.

Mein Büro liegt unterm Dach, die Gauben bringen es bloß noch auf rund 25 Zentimeter Wandstärke plus Verputz. Dort ist also meine Arbeitszeit an so heißen Tagen begrenzt. Momentan laufe ich auf viel Wasser und Kaffee, bin mit der Ausbeute der Foto-Tour zufrieden und immer noch von einer merkwürdigen Erfahrung befangen.

Draußen, zwischen den Feldern, hatte mich ein altes Ehepaar zweimal überholt, während ich jeweils mit einem der Kreuze am Wegrand beschäftigt war. Als diese Passage erledigt war, sah ich die beiden von weitem und es geschah, daß die Frau stürzte. Bis ich die beiden Leute erreichte, war deutlich, daß die Frau blutete und mit einer starken Benommenheit klarkommen mußte.


Ich bot an, die beiden zu ihrem Auto zu bringen, denn es war offenkundig, daß der Frau die Kräfte schwanden. Bis wir den Parkplatz erreichten, kippte sie mir komplett weg, was nahelegte, sie sofort in die Stadt zu bringen. Was mich dabei eigentlich berührte, war dann, neben mir zu spüren, wie ihr alle Kraft ausging, so daß sie nicht einmal sprechen wollte, die Arme nicht heben konnte, weil ich sie ja anzuschnallen hatte.

So war sie dann eine Weile in vollkommener Hilflosigkeit an meiner Seite, ohne irgendetwas tun zu können. Genau das hat mich so erschüttert. Dieses Zusammensacken, in dem einem selbst nichts mehr möglich ist. Dieses Ausgeliefertsein. Ich war überrascht, die Hilflosigkeit so deutlich zu spüren, auch an der Silhouette des gebeugten Körpers zu sehen. Wie verletzlich wir mitunter sind…

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