16. Juni 2021

Die Nadel

Nun war ich gut eineinhalb Jahre vor allem in der Stille und recht wenig in realer Begegnung unter Menschen. Facebook als mein Salon, um wenigstens im Bereich von Telepräsenz eine laufende Geselligkeit zu haben. Und meine Themen, Texte, Aufgabenstellungen.

Damit ließ sich bisher passabel zurechtkommen, denn das scheint mir sicher: wer keine gute Aufgabe findet, ist viel stärker absturzgefährdet als alle, die ein sinnvolles Tun an der Hand haben, das zwischendurch auch erheblich Freude macht.


Hier mein Lieblings-Meme, welches immer wieder einmal wo auftaucht. Für mich ist das längst ein Prinzip. Wenn ich den Verdacht bekomme, in einer Runde der smarteste Kerl zu sein, ist es höchste Zeit, daran was zu ändern. (Das meint nicht verblöden, sondern das Set wechseln.)

Es hat auch ein wenig mit meiner „Kontinentaltheorie“ zu tun. Ich bin ja keineswegs der Auffassung, daß wir gut beraten sind, eine homogene Untertanenmasse anzustreben. Dem steht dann aber auch kein mir bekanntes und reizvolles Konzept von einem eleganteren, zugleich umfassenderen „Wir“ gegenüber.

Wenn ich einrechne, wie viele Menschen einem aktuell mit sehr niederer Reizschwelle gegenüberstehen, denke ich nicht mehr an „meinen Kontinent“ im Kontrast zu anderen Kontinenten, sondern an „meine Nische“. Ich mag Differenz leben, ohne deshalb andere belehren oder bedrängen zu wollen. Mir fehlt außerdem die Vorstellung, daß derlei klappen könnte.

Ich gehe dann lieber mit einem Hauch von Ironie in die Differenz. Aktuell: am 14. 6.21 hab ich mir meine zweite Impfung geholt, mit dem zustechenden Doktor Gombotz ein amüsantes Gespräch geführt und bestaunt, wie versiert er zur Sache ging, denn ich hab den Stich nicht gespürt. Sauberes Handwerk!

„Da erinnere ich mich an andere Kanülen-Durchmesser“ sagte ich und hatte diese fetten Rohre mit den abgeschrägten Spitzen vor Augen. Die spürte man verläßlich, wenn sie durch die Haut gingen. Der Doktor lachte und sprach von einem seiner Lehrer, der „neumodischen Kram“ verachtet habe. Damals wurden die Kanülen noch ausgekocht und dem nächsten Patienten reingehauen. Richtige Kanalrohre.

Meine Facebook-Notiz zum Thema: „all die guten ratschläge, die bei mir einfach nix genutzt haben. ich bin halt im herzen so eine laborratte. (übrigens! das schärfste, was ich je hatte, war ein richtiges science fiction double feature: links ein herzkatheter, rechts ein perfusor. das haut rein!)“


Da erfahre ich nun von launiger Seite etwa, daß ein Experte uns verraten habe, diese Impfaktion sei ein „Weltexperiment“. Ach Herzchen! Was sonst? Erzähl mir was Neues! Na klar ist das eine großangelegte experimentelle Anordnung. Bitte aus dem Nähkästchen klettern und ins reale Leben eintreten!

Das ist doch noch nicht einmal das härteste Experiment, an dem man heute teilnehmen kann. Sei zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter, die sich viele Jahre völlig verausgabt hat, dauernd die Armutsgefährdung vor Augen, und nun, nach dem 50. Geburtstag, in nicht gerade bester körperlicher Verfassung, besorgt durchrechet, wie ihre Lebensabend ausgestattet sein wird. Das ist ein interessantes weltweites Experiment!

Also immer mit der Ruhe! Ich Laborratte bin nun also ein Moderna-Mann mit der zweiten Impfung. Wir werden sehen, was das mit mir macht. Ich sage anderen nicht, was sie tun sollen, ich deute es nicht einmal an.

Ich hab einen Hausarzt, dem ich seit vielen Jahren vertraue. Meine erste Adresse für offene Fragen. Ich hab meine praktischen Erfahrungen mit Herzkatheter, Perfusor, Schlauch in der Lunge und sonst noch ein paar Schläuchen im Körper. Damals haben wir nicht diskutiert, was das werte Fachpersonal mir an Substanzen reinhaut, um mich ins Leben zurückzuholen. Das sind also ganz unterschiedliche Zugänge zu solchen Themen. Ist okay. Ich bin die Ratte. Und Du?

+) Kontext Covid-19


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