4. Juni 2021

Chronique Scandaleuse

Es will sich offenbar nicht beruhigen. In einer merkwürdig stürmischen Dynamik erfahre ich Woche für Woche von Momenten, in denen sich Spitzenkräfte des Landes, hochdotierte Männer mit allerhand Verfügungsgewalt, Entgleisungen leisten, indem sie ihren Herzen Luft machen. Das Bonmot „Wer schweigt, stimmt zu“ läßt sich nicht von der Hand weisen und hat sich eben am Beispiel von Höchstrichter Wolfgang Brandstetter (vormals Justizminister) eingelöst.


Der Verfassungsrichter und der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek mußten sich einen Chat-Dialog nachweisen lassen, in dem ein Ton angeschlagen wurde, da kann einem schlecht werden. „Die Abfälligkeiten gegen den VfGH und die WKStA, auch Pilnaceks primitive Bemerkungen über zwei Verfassungsrichterinnen, die selbst Freund Brandstetter ‚echt giftig‘ fand, waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.“ [Quelle]

Es ist nur einer von vielen Fällen, in denen sich unter anderem ein Ausmaß an Frauenfeindlichkeit zeigt, das offenbar keine Grenzen kennt. Das macht deutlich, wie sehr erfolgreiche Männer bereit sind, sich weibliche Konkurrenz möglichst vom Hals zu halten.

Daran stört mich vor allem zweierlei. Ich mag nicht hinnehmen, daß so eine Herrenmenschen-Attitüde unser soziales Klima vergiftet. Ich mißbillige derlei Anmaßung, weil sie weibliche Intelligenz aus verschiedenen Lebensbereichen zurückzudrängen versucht und damit das Gemeinwesen schädigt.

Ich hab freilich auch emotionale Einwände. Solche Art der Arroganz verbreitet Frost, um im eigenen Kämmerchen Warme zu pflegen. In so einem Klima will ich nicht leben. Ich bestehe privat auf einem angemessenen Niveau des Umgangs miteinander, weil ich in einem anderen Klima nicht gedeihen kann. Ich erwarte das auch im öffentlichen Leben.

Wer an meinem Tisch säße oder bei beliebigem Anlaß mit mir zusammenstünde, wer dabei so schillernde Anmaßung und Menschenverachtung verbreiten würde, wie wir es derzeit von Spitzenkräften unseres Staates erfahren, müßte umgehend mit einem heftigen Donnerwetter rechnen. Wer dann nicht sofort zurückrudern möchte, würde rausfliegen, egal wohin.

Dazu kommt, es ist ja reizend, daß eine hochdotierte Kanaille jemanden wie mich für Pöbel hält: „Neu ausgewertete Chats von Kurz-Freund Thomas Schmid zeigen, wie abfällig der ÖVP-Mann über Menschen außerhalb der Polit-Elite denkt. Von ‚Pöbel‘ und ‚Tieren‘ ist die Rede. Außerdem wollte er den Betriebsrat in der ÖBAG abmontieren. Arbeitnehmerinteressen? ‚Fu** that‘, schreibt Schmid.“ [Quelle]

Post Scriptum:
Im Februar dieses Jahres hatte ich den Überblick verloren, was rund um die Regierung Kurz II an skandalösen Momenten aufkam. Also legte ich eine kleine Liste an und war verdutzt über die hohe Dichte an Vorfällen. Nach einigen Wochen wurde ich der Aufzeichnungen müde, denn das riß nicht ab. Nun also doch noch ein Blatt für meine

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