9. Mai 2021
Mutter…
…wo immer du verscharrt sein magst, bleib in der Erde, auf
daß sie auch weiter Schweigen über dich deckt. Wie deine
Krankheit dich zuletzt alles vergessen ließ, so hast du
vorher viel Kraft darauf verwendet, dich und andere
vergessen zu machen, wofür man hätte Verantwortung
übernehmen müssen.
Du hast noch bis zu deinem Lebensabend einiges getan, was
uns Menschen eigentlich nicht erlaubt ist. Du hast davor
deine Augen von etlichen Ereignissen abgewandt, die es nicht
geben dürfte, aber eben gibt.
Liebe wohnt nur dort,
wo wir voreinander nicht auf der Hut sein müssen.
Ich
weiß heute genug über Frauenleben, um all das sortieren und
verstehen zu können. Aber ich bin unversöhnlich. Und ich
verachte die Heuchler. Ich verachte jene, die mir meine
Ansichten ausreden wollten, Geschehenes schönreden wollten,
die mir nachdrücklich prophezeiten, ich werde meine Haltung
bereuen.
Nach all den Jahren ist keine Spur von Reue
in mir und ich konnte erneut erkennen: da war die selbe üble
Kumpanei im Spiel, mit der wir schon als kleine Kinder
korrumpiert wurden, als man uns mit aller Macht erwachsener
Menschen einzubläuen versuchte, daß wir unserem Empfinden
nicht trauen dürften, denn es sei alles anders, sei so, wie
die Erwachsenen sagten.
Dabei ist „einbläuen“ nicht
metaphorisch gemeint. Auch jene Mütter mit leiser Stimme,
devoter Haltung und dauergewellten Haaren konnten mit
Ausdauer, konnten systematisch zuschlagen, bis jeder
kindliche Einwand verstummte. (Wir wissen heute zur Genüge,
was es anrichtet, wenn man Kindern beibringt, ihren
Empfindungen nicht zu trauen.)
Ich habe zu all dem
nichts mehr zu sagen, außer die Schultern zu zucken.
Muttertag. Lustig! Naja, soll sein…
+)
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