24. Februar 2021
Kanzler ohne Contenance
„Zudem betonte Kurz, dass die Ermittlungen
unabhängig durch die Justiz durchgeführt werden sollten, und
er sich daher ‚auch nie öffentlich in ein Verfahren
einmischen‘ würde…“, was er gerade unter den Augen
aller tut, anstatt durch angemessene Zurückhaltung das
Vertrauen in den Staat zu demonstrieren, dessen Kanzler er
derzeit ist. [Quelle]
Ich erlebe gerade Tiefpunkte politischen Handelns. Nun
sind wir am Ende des zweiten Monats von 2021 und ich mußte
schon drei Blätter der kleinen Chronique scandaleuse mit
bloß den markantesten Beispielen bemerkenswerten
Fehlverhaltens füllen.
Ich habe dazu keine moralischen Einwände, sondern will
möglichst pragmatisch deutlich machen: Verdeckte Intentionen
und der regelwidrige Zugriff auf Ressourcen zerstören jede
Gemeinschaft, egal wie klein oder wie groß sie ist.
In der Republik ist Gewaltenteilung ein wichtiges Element,
um Macht zu kontrollieren und Malversationen zu ahnden.
Unser Parlament begründet die drei Staatsgewalten
„Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung“ auf einer
eigenen Seite: [Link]
Aus der gelebten Demokratiepraxis rechnen wir den
Journalismus als „Vierte Gewalt“ im Staat zu diesem
Ensemble.
Unser Bundeskanzler widerspricht diesem
nötigen Kräftespiel in der brisanten Phase einer
Untersuchung seines Tuns, Er wirft einer dieser Gewalten
öffentlich Pflichtversäumnisse vor, rüttelt somit am
Fundament der Demokratie. Sebastian Kurz geriet mit einem
Brief in die Kritik, dessen bemerkenswerteste Passage so
lautet:
„Fehlerhafte Fakten und unrichtige Annahmen aus Ihren Akten,
die an die Öffentlichkeit geraten, sorgen im In- und Ausland
nicht nur für einen Reputationsschaden für die betroffenen
Personen, sondern führen vor allem im Ausland auch zu einem
Reputationsschaden für die Bundesregierung und damit für die
gesamte Republik Österreich.“
Wir werden uns doch
einige können: „fehlerhafte Fakten“ sind keine Fakten. Das
sollte wenigstens im Lauf der letzten Jahre klar geworden sein,
als amerikanische Spitzenpolitik uns mit dem philosophischen
Kraftakt der Benennung „alternativen Fakten“ den Zustand der
Welt erläutern durfte.
Der Kanzler geht zu weit, wenn er
öffentlich feststellt: „Ich bin der Meinung, dass
Ermittlungen unabhängig durch die Justiz durchgeführt werden
sollten und ich würde mich deshalb auch nie öffentlich in ein
Verfahren einmischen. Da aber in diesem konkreten Fall
fehlerhafte Fakten und falsche Annahmen der WKStA an Medien
gelangt sind, bin ich nun seit über einer Woche täglich mehrere
Stunden beschäftigt, Medienanfragen aus dem In- und Ausland zu
diesen falschen Anschuldigungen zu beantworten.“
Damit tut er, was wir am vormaligen Präsidenten Donald Trump
kennenlernen mußten. Er assoziiert sich mit dem Staat, der
Nation, stellt fest, daß dem Land schaden würde, wer ihn
kritisiert.
Wie kann Kurz der Staatsanwaltschaft schon
bei laufender Untersuchung vorhalten, sie befasse sich mit
„fehlerhafte Fakten und falsche Annahmen“? Der Geprüfte
beurteilt das Prüforgan? Bitte warten! Wenn alle Fakten auf dem
Tisch liegen, also Details, die einer Bemühung um Falsifizierung
standhalten (sonst sind es keine Fakten), wird zu klären sein,
ob der Behörde Irrtümer oder Fehler passiert sind.
Die
andere Passage lautet: „Ich bin der Meinung, dass
Ermittlungen unabhängig durch die Justiz durchgeführt werden
sollten und ich würde mich deshalb auch nie öffentlich in ein
Verfahren einmischen. Da aber in diesem konkreten Fall
fehlerhafte Fakten und falsche Annahmen der WKStA an Medien
gelangt sind, bin ich nun seit über einer Woche täglich mehrere
Stunden beschäftigt, Medienanfragen aus dem In- und Ausland zu
diesen falschen Anschuldigungen zu beantworten.“
+)
Der Wortlaut
des Kanzerlbriefes als doc-Datei (30 kb) +)
Stellungnahme
von Florian Klenk als doc-Datei (30 kb) +)
Chronique
scandaleuse 2021/3
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