19. Februar 2021
Flucht
Flüchtlingsströme werfen für uns Probleme auf. Das steht
außer Frage. Sie werden von komplexen Problemlagen
ausgelöst. Europas Beteiligung an diesen auslösenden
Problemlagen hat seine gegenwärtigen Zusammenhänge und hat
Tradition. Dazu gibt es in der Vergangenheit zwei
bemerkenswerte Daten.
Anno 1494 segnete der Papst den
Vertrag von Tordesillas ab, welcher regelte, wie Spanien und
Portugal sich die Welt zum Ausplündern teilen mußten. Im
Jahr 1529 folgte der Vertrag von Saragossa, weil
klargeworden war, daß die Welt rund ist, also mußten die
Regionen zum Ausplündern neu definiert werden.
Zu all dem war die Hochseeschiffahrt nötig, welche sich zu
jener Zeit auf einen revolutionären Schiffstyp stützte (die
Karavellen) und taugliche Navigationsverfahren. Seither hat
Europa diese Gebräuche beibehalten, es änderten sich bloß
die Praxisformen, auf Kosten anderer Weltgegenden den
eigenen Wohlstand zu mehren.
In diesem Modus wurde
ein spezielles Problem Europas lösbar, für das wir heute
noch keine überzeugenden Strategien haben, die friedfertiger
Natur wären. Seit mehr als tausenden Jahren sind überzählige
Söhne, die nichts werden können, ein sprunghaft wachsendes
Problem der jeweiligen Innenpolitik.
Das haben wir im
Kleinen erfahren, das kennen wir in kontinentaler Dimension.
In der Oststeiermark war es üblich, daß der Erstgeborene die
Landwirtschaft übernahm. Nachgeborene Söhne mußten sich ihm
als Knechte unterordnen oder fortgehen. Wo die Nachgeborenen
ausbezahlt werden mußten, gefährdete das einen Betrieb
wirtschaftlich, trug überdies im 20. Jahrhundert zur
Zersiedelung des Landes bei.
Hat ein Staat zu viele überzählige Söhne, werden die als junge
Männer verläßlich zu einem sozialen und politischen Problem,
wenn ihnen angemessenes Einkommen, legitime sexuelle
Beziehungen, Hausstandsgründung und berufliches Gedeihen
verwehrt bleiben.
Eine Regierung hatte bisher zwei
wichtige Möglichkeiten: die überzähligen Söhne in einem Krieg
verbrennen oder sie in die Welt schicken, auf daß sie andere
Ländereien plündern, austöten, kolonisieren. (England ist ein
anschauliches Beispiel dafür, Frankreich nicht minder.
Österreich hätte gerne, hat aber darin versagt.)
Die
Weltbevölkerung ist heute größere denn je, der Ressourcen-Hunger
industrialisierter Nationen unermeßlich, doch wir können unsere
überzähligen Söhne nicht mehr in die Welt schicken, wollen nicht
sehen, wie sie in Kriegshandlungen verbrannt werden, während
jene, die in anderen Weltgegenden nichts werden können, zum
Beispiel nach Europa drängen; übrigens bloß ein Bruchteil jener,
die weltweite Fluchtbewegungen ausmachen.
Wie sehen nun
aktuelle Strategien für diese Situation aus? Was hat uns die
Politik an adäquaten Modi anzubieten? Ich höre!
PS: Ich höre natürlich jene, die mir raten: „Dann nimm
doch du Flüchtling auf und sag uns, wie man es besser macht.“
Idioten! Habt Ihr keine Vorstellung, was „Der Staat“ (Politik
und Verwaltung) im Gegensatz zur „Zivilgesellschaft“ ist? Kennt
ihr nicht die Unterschiede in Aufgaben und Pflichten? Könnt Ihr
das nicht angemessen auseinanderhalten?
Ich hab andere
Pflichten als ein Staat!
Muß ich jetzt noch erklären, daß
Volkswirtschaft und Hauswirtschaft grundverschiedene Kategorien
sind? Ich bin es müde, mich Debatten zu stellen, in denen meine
Opponenten nicht einmal jenes Maß an Wissen über
Staatsbürgerkunde parat haben, das nach Ablauf der Schulpflicht
absolviert sein sollte.
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