26. Jänner 2021

Der Kulturarbeiter Donald Trump

Eine aktuelle Nachricht lautet: „A four-year Fact Checker project comes to an end.“ Die „Washington Post“ hatte diesen „Fact Checker“ eingerichtet und betreut. Das derzeitige Ergebnis: „Trump’s false or misleading claims total 30,573 over 4 years“. [Quelle]



Quelle: Washington Post

Dieser Umstand ist zwar äußerst düster, aber zugleich eine kulturelle Leistung, die mich beeindruckt. Da hat ein Staatsoberhaupt über Jahre hinweg allerhand Gedachtes und Gefühltes aus sich heraussprudeln lassen, hat es ohne Wissenserwerb für relevant gehalten und via Social Media breit rausgehauen.

Mehr als 74 Millionen Menschen haben diesem Mann jüngst gewählt und seine Erzählungen aufgesogen. Dazu kommt eine unbestimmte Menge an Trumpsters und Trumpettes rund um die Welt, die ihn wie einen Heilsbringer verehren. (Wäre der Mann Romancier und hätte Groschenhefte verfaßt, er könnte jetzt vermutlich seine Schulden bezahlen.)

Eine schillernde Glaubensgemeinschaft, die „Alternative Fakten“, wie sie Trump anbietet, bevorzugt. Übrigens eine Begriffskreation, welche der Trump-Beraterin Kellyanne Conway zugeschrieben wird: „Alternative Facts“. So etwas Subversives fällt einem nicht alle Tage ein.



Quelle: Facebook

Gemessen an diesem Konzept und seinem Erfolg ist Josef Goebbels mit seinen Strategien ein Lehrbub gewesen. Die Nazi-Kanaillen brauchten zu ihrer umfassenden Message Control auch noch repressive Kräfte mit hohem Organisationsniveau, um die Bevölkerung auf Kurs zu halten.

Was immer nötig war, um die eigenen Leute zu terrorisieren und ihre Zurichtung zu bewerkstelligen, von SA und Gestapo bis zu Roland Freislers Volksgerichtshof, von der Reichsschrifttumskammer bis zum Bund Deutscher Mädel (BDM) und zur Organisation Kraft durch Freude (KdF), die gesamte Gesellschaft mußte durchorganisiert und unter Druck gehalten werden.

Da hat uns Trump mit seiner Entourage, seinen Supporters und Fans, mit den Proud Boys, den Militias und Gebetskreisen nun gezeigt, daß es noch ganz andere Modi gibt, um der Tyrannis in den Sattel zu helfen. Ich betone das erneut: eine kulturelle Leistung, die mich beeindruckt; und sehr beunruhigt.


So eine Mischung aus Kerl, Religionsgründer und schlagkräftigem Politiker hat offenbar quer durch alle sozialen Schichten Anhängerschaft generiert. Im Augenblick können wir noch nicht wissen, wie weit das getragen hätte. Wäre es ohnehin nach einer gewissen Zeit in sich zusammengebrochen? Hätte es diese Wahl überstehen können und eine völlig neue Form der Tyrannei eingeleitet?

Welche Formationen wären in naher Zukunft aneinandergeraten? Was hätte das erstens in den USA und zweitens weltweit bewirkt? Das muß heute halbwegs klar sein, Trump hat definitiv eine globale Wirkung entfaltet und Konsequenzen ausgelöst, die uns noch lange beschäftigen werden.

Ich gebe nichts darauf, wie sich nun Legionen von Menschen im Verwünschen und Beschimpfen dieses Mannes verausgabt haben. Das sind unsinnige Betriebsgeräusche. Mich interessiert die möglichst unaufgeregte Analyse sowie das Erörtern von Befunden des Status quo. Natürlich bin ich über die „Herrenmenschen-Attitüde“ erschrocken, als abzusehen war, daß so ein Verhalten tragfähig ist.

Wissensarbeit und Wissensgewinn sind dank Trump und Konsorten rundum in ihrer Bedeutung noch weiter abgesackt. Eben deshalb beschäftigt mich, worin genau nun die kulturelle Herausforderung besteht, die uns Trump beschert hat, und welche Strategien zu entwickeln sind, um die Fragen nach gesichertem Wissen und nach Erkenntnis wieder aufzuwerten. Da wartet eine schwere Aufgabe auf diese Gesellschaft.


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