20. Dezember 2020
Adventdämmerung
Ich habe nun mehr als 20 Jahre mit einem gravierenden
Konzeptionsfehler meiner Küche gelebt. Bisher waren von den
zwei verfügbaren Arbeitsflächen stets beide mit ein bißl
Zeugs belegt, um etwas freie Fläche offen zu halten. Das ist
nicht nur unpraktisch, sondern zwingt zu einer indifferenten
Haltung.
Jetzt habe ich die Fläche auf der dunkleren Seite vollgeräumt,
die gegenüberliegende Sektion vollkommen frei gemacht. Das
ermöglicht eine grundlegend andere Pose. Die Lösung alter
Justamentstandpunkte gehört zu den anspruchsvollsten Momenten
einer Persönlichkeitsentwicklung.
Jetzt, wo das geschafft
ist, wäre ich endlich soweit, Lebensratgeber zu schreiben und
auf den Markt zu hauen. Ha! Das war bloß ein Scherz. Ich finde
die Pose des Ratgebers extrem spießig. Das macht so Sätze wie
„Kindchen, ich zeig dir jetzt einmal wie das geht.“ Oder es
kommen entsetzliche Fuchteleien und Plapper-Arien heraus, wie
ich sie derzeit laufend aus Regierungskreisen vernehme.
"Viel Öl in den Mund, wenns zu arg
ist."
Facebook wird schon fast
zyklisch von allerhand Kräften aus der Ratgeber-Branche
überrannt. So ließ mich kürzlich ein gelernter
Autoverkäufer wissen er beschäftige sich „mit den
Themen Umweltschutz, Bio, Alternativen zu Plastik,
Aromen und Öle. Durch das Netzwerken, kam ich dann auch
zur Truppe der Netzwerkhelden, die im Bereich Finanzen
tätig sind. Ob Krypto, Wertpapier oder Devisenhandel…“
Wenn der jetzt auch noch mit Engeln redet und mein
innere Blockaden aufspürt, dem Kind in mir zu aufrechtem
Gang verhilft, verkauf ich meine Seele. Nächster Scherz!
So viel Jahrmarktzauber, Wundertinkturen, Wahrheiten und
echte Sorge um mein Seelenheil kann einen vor Rührung
auf die Knie sinken lassen. Aber ich bin ohnehin nicht
zu retten.
Der Garagenliebling und die
Pandrina
Es war vor Jahrzehnten ein
eiskalter Neujahrsmorgen, als ich sturzbetrunken mit
einer geklauten Luger 08 Parabellum Löcher in die Wand
einer alten Holzhütte schoß und mir plötzlich klar
wurde: keine gute Tat bleibt ungesühnt.
Ich
vermute, daß ich solche Dinge getan hab, um zu
bewältigen, daß man mich anläßlich meiner Verstocktheit
im Lateinunterricht vom Gymnasium gefeuert hatte. So
wurde ein störrischer Lehrbub aus mir, der mit dem
Schreiben von Gedichten anfing und freilich beizeiten
wußte, was das bedeutet: Si vis pacem para bellum.
(Die Null-Acht haut enorme Löcher in alles.)
Ich bin gerade etwas unernst. Und vergnügt. Heute
erreichte mich mittags ein Anruf. Der Garagenliebling
fragte mich: „Bist du schon munter?“ (Vor dem
Lockdown hieß das: „Bist du zu Hause?“) Ich
kaute eben an einem opulenten Reisgericht, dessen
Bestandteile ich auf der eingangs erwähnten freien
Fläche zubereitet hatte.
Zur siebten Tele-Drink-Session im zweiten Lockdown.
„Schau einmal aus deinem
Fenster“, sagte der Garagenliebling, was ich tat.
Da standen sie grinsend, er und Susanne, die Pandrina
mit dem Motoröl an den Händen. (Genau! Eine versierte
Schrauberin.)
Das brachte mir eine fröhliche
Plauderei und einige Wohltaten ein, was sich unter
anderem auch auf meine Küchensituation auswirken wird.
Wir sind eine pittoreske Community, einer Volkskultur in
der technischen Welt verbunden, wo einem nicht der
Landeshauptmann an der Seite von Andreas Gabalier etwas
an „Volkskultur“ vorhüpft, wie man das in der Steiermark
kennt.
Hier wird etwas gelebt und dechiffriert,
das eine ganz andere Dimension hat als die PR-trächtigen
Kultur-Faxen von Politik und Verwaltung. Bei allem, was
Pandemie und Lockdown an Belastungen aufbieten, wir
haben zu tun…
Ah ja, bevor ich es vergesse:
Gestern, dieser stille Samstag und die siebte
Tele-Drink-Session im zweiten Lockdown. Ich habe dazu
Blaufränkischen und irischen Whiskey kombiniert (nicht
gemischt). Eine geschmackliche Sensation in Etappen.
+)
Gerhard Szamuhely: Garagenliebling +)
Routen: Weihnacht 2020
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