5. Dezember 2020
Die Verschnöselung
Österreichs II
Ich verstehe ohne weiteres, Werbung soll die Geschäfte
voranbringen. Dabei geht es nicht um Satzwahrheiten, sondern
um Kontext und Subtext. Werbende sagen mir: Wir möchten auf
jeden Fall dein Geld und falls es sich günstig trifft,
sollst Du dafür eine adäquate Gegenleistung bekommen.
Leistungsträger stehen zum Leistungsaustausch bereit;
oder so. Die Gegenleistung ist freilich nicht immer das, was
im Prospekt oder auf der Verpackung zum angepriesenen
Tauschgut steht. Auch das leuchtet mir ein. Ich habe
gelernt, in diesen Situationen Kontext und Subtext zu lesen,
die Werbebotschaft zur Lebensrealität in Relation zu setzen.
Wir sind als Gesellschaft eben übereingekommen, daß wir es nicht
Lüge nennen, wenn Werbebotschaft und angebotenes Gut eine
gewisse Differenz aufweisen. Aber es gibt ein Ausmaß an
Dreistigkeit im Werbegeschäft, da kippt der Deal auf jeden Fall.
Wer mich dann, jenseits dieser Markierung, hintergeht und
versucht, mir warmes Wasser als fette Suppe zu verkaufen,
beleidigt meine Intelligenz. So was nehme ich immer persönlich.
Das kennt noch eine Steigerung. Falls es ohne jeglichen Esprit
geschieht, also relativ plump angelegt ist, beginnt bei mir der
Ernst des Lebens, weil mich das zornig macht.
Ich gebe
Ihnen ein Beispiel. Da saßen jüngst der Publizist Wolfgang
Fellner und die nun Ex-Politikerin Ursula Stenzel in einem
Studio, um über den Zustand der Welt zu reden. Fellner hat wenig
Scheu, Menschen etwas in den Mund zu legen. Die nehmen das
manchmal an, manchmal nicht. Ich sag so: er neigt zu suggestiven
Bemühungen.
Plötzlich verfinsterte sich am 1. Dezember
2020 das Licht der Aufklärung, die beiden fielen in einen
Zustand der geistigen Operettenhaftigkeit. Ich hörte staunend,
wie sie darüber sprachen, daß Kanzler Kurz womöglich ein
„kleiner Kreisky“ sei.
Kreisky? Kreisch! Weder die
intellektuelle Ausstattung noch die politische Relevanz
von Kurz erlauben es derzeit, den Mann auf solche Art in
einem Atemzug mit Bruno Kreisky zu erwähnen. Die
nächsten 20 Jahre sollten zeigen, ob dieser Kurz-Status
das Zeug zur Zustandsänderung hat.
Aber was heute
nicht mehr ÖVP sein will, sondern „Die Türkisen“,
bespielt mich mit Werbung und Ansätzen zum Personenkult,
das nennen wir gewöhnlich nicht Werbung, sondern
Propaganda. Dazu erlebe ich, daß bis herunter auf
regionale Ebenen Parteigänger der Christlichsozialen
Kreide fressen und diesen Status quo schönreden.
Ich erlebe seit geraumer Zeit so manche Welle der
Glorifizierung dieses Kanzlers, dem sein Schicksal
während der Corona-Krise eine unübersehbare Serie von
Pannen, genauer: Fehlleistungen, auferlegt hat.
Was diesen Kanzler Kurz angeht, bei dem es auf absehbare
Zeit eher nicht für einen „kleinen Kreisky“ reichen
wird, hatte ich schon einige Debatten am Hals, weil er
mir von ÖVP-Leuten als quasi grenzgenialer Politiker
angedient wurde. Manche Funktionäre halten mich offenbar
für den Dorfdeppen.
Ich bitte dann gerne um einen
Link auf a) eine Glosse oder b) einen Text von
Kurz, c) ersatzweise auf ein Interview mit ihm,
...von einer inhaltlichen Qualität der Aussagen
dieses Mannes, zu denen ein gebildeter Mensch sagen
würde: „Donnerwetter! Ich bin angetan.“ Bis
heute habe ich noch keinen derartigen Link erhalten.
Aber ich hoffe weiter…
-- [Die
neue Bourgeoisie] --
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