10. November 2020

Millennium Falke

Erstens: eh alles gut. Zweitens: ich war es nicht! Drittens: wird schon nicht so schlimm werden. Wir Kinder der Gegenreformation, eines im Alltag heuchelnden und lügenden Katholizismus, müssen dann eben doch manchmal für den Status quo einstehen.

Na, schauen wir einmal, dann sehen wir schon. Was ein christlich-soziales, zwischendurch blau beschattetes Innenministerium leistet, haben wir eben vorgeführt bekommen. Mir ist aufgefallen, wer unmittelbar nach den Schüssen von Wien die Justiz angeprangert hat, wo aber gegenüber dem Attentäter – so weit wir derzeit wissen - lege artis gehandelt wurde.

Interessant! Ich war ohnehin überrascht, wer alles, selbst erfahrene Publizisten aus meiner Gegend, noch in der Nacht der Schüsse mit Fernbefunden dienen konnte. Derweil sitz ich hier im zweiten meiner zwei Stockwerke, nachdem ich Kaffee gebraut und meine Vorräte überprüft hab.

Seit ich meine Hütte nimmer als Bunker, sondern als Raumschiff deute, konnte sich eine andere Stimmung entfalten. Ich hab daran gedacht, wie hart es für unsere Vorfahren war, mit der Nahrung über den Winter zu kommen.

Sauerkraut ist das Ergebnis eines Konservierungsprozesses und wer – wie ich – Seefahrergeschichten mag, weiß auch: Sauerkraut ist ein gutes Mittel gegen Skorbut, eine üble Mangelerkrankung.

Reis, Mais und Kartoffeln mußten in Europa eingeführt werden und haben seinerzeit so manche Hungerkatastrophe verhindert, denn Europa hatte eine „Kleine Eiszeit“ (15. bis 19. Jhdt.), in der oft Ernten ausfielen und viel gehungert wurde. Die Haltbarkeit der getrockneten, harten Maiskolben und schließlich: Polenta. Sowas hab ich im Glas.

Auch Äpfel können sehr haltbar sein, den Winter überdauern. Für mich Stadtmenschen ist das freilich nicht mehr machbar. Ein knapper Kühlschrank, keine Speisekammer, kein Kellerabteil. Mein Vorteil ist der Innenstadt-Standort und daß der Lebensmittelhandel offen hält. Da tun Menschen jeden Tag ihren Job, auch unter diesen derzeit so enorm hochgehenden Infektionszahlen, damit ich zweimal die Woche mit meinem Rucksack hole, was fehlt.


Mir fiel auf, daß sich inzwischen eine Menge Prediger, die mir während der ersten Jahreshälfte noch andauernd ihre gefühlten Wahrheiten und flott extrahierten Klarheiten zugerufen haben, entweder verstummt sind oder in Nischen verschwanden, die ich nicht betrete.

Mich erstaunt eine merkwürdige Stille in meinem Umfeld, wo die Belastungen der letzten Monate eigentlich ihren Ausdruck finden müßten. Aber was wären angemessene Formen dafür? Kennen wir Varianten, seinen Kummer nach draußen zu tragen, die Zustimmung finden würden?

Was ich in den letzten Jahren sehen konnte, ernten Mißerfolge, ein Scheitern, auffallend häufig Zynismus. Selbst in meinem vertrauten Milieu hatte diese Herablassung eine erstaunlich hohe Quote, obwohl unsere laut erklärten Ideale das eigentlich nicht zulassen.


Ich vermute, es wird als eine Art magischer Handlung praktiziert, um Unglück zu bannen. Merkwürdig, weil sich in menschlicher Gemeinschaft das Unglück in der Praxis ja vorzugsweise durch Mitgefühl und solidarisches Handeln dämpfen und stellenweise verhindern läßt, niemals durch Zynismus.

Übrigens! Raumschiff. Ich war zuerst bei der Metapher, meine Wohnung als Raumkreuzer zu deuten. Inzwischen sagt mir doch die Vorstellung eines Frachters mehr zu. Genauer: ein Schmuggler-Schiff. Sci Fi-Fans werden nun ahnen, daß ich an den Millennium Falcon denke.

Ich hab nachgeschaut. Der Brocken ist 34,75 Meter lang und 7,8 Meter hoch, fliegt maximal 1.050 km/h schnell. Vorgesehene Mannschaft: Pilot und Copilot, zwei Bordschützen. Es könnten bei Bedarf bis zu 30 Passagiere mitfliegen. Rund hundert Tonnen Nutzlast packt der Falke. Bibliothek und Weinvorrat wären also kein Problem. (Das Foto des Falken stammt von Janine &Jim Eden, CC BY-SA 2.0, im Vordergrund das Cockpit.)

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