9. November 2020

Trump down

Es heißt, Donald Trump sei Boris Johnson und dem Brexit sehr zugetan. Was immer die EU schwächt, dürfte Trump gefallen haben, denn Europa ist ein mächtiger Markt. Genauer, der EU-Binnenmarkt ist der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt.

Das können Produzenten gewöhnlich nicht ignorieren. (Aber hausgemachte vaterländische Politik, die Europa Richtung Renationalisierung drängt, ignoriert das eventuell.) Ich denke, man wird mich kaum verklagen können, wenn ich notiere, daß Johnson und Konsorten mehr als einmal gelogen haben, um der britischen Bevölkerung den Brexit schmackhaft zu machen.

Wie viele Jahre stümpern diese Typen nun an den Ausstiegsbedingungen herum und beschädigen damit das Land zunehmend? Aber die USA. Ich durfte eben sehen, wie TV-Moderatoren Donald Trump in der laufenden Sendung unterbrachen, um dem Publikum mitzuteilen, daß Dinge, die der Präsident gerade ausposaunt, von Faktenlagen nicht gedeckt seien. (Ich nenne das Lügen.)

In den Social Media, auf Plattform wie Twitter und Facebook, haben die Herausgeber Statements des Präsidenten als ungeprüft markiert. Ich brauche dafür keine Euphemismen. Auf meinem Kontinent heißt sowas: Lügen.

Allerdings staune ich, was da in meiner Umgebung letztes Wochenende an Triumphgesten stattfand, als Trump Biden unterlag. Ich war nicht in Feierlaune. Weshalb? Na, was denken Sie? Haben uns etliche Spitzenkräfte unserer aktuellen Regierung (und der vorangegangenen) nicht auch mehr als einmal belogen? Nein? Doch!

Und durfte ich nicht einigen Spitzenkräften dieser Regierung zuhören, wie sie in Interviews die Stirn hatten, Journalistinnen und Journalisten für ihre kritischen Fragestellungen zu maßregeln? Mit dieser Zumutung sind mir derzeit vor allem Kurz und Nehammer erinnerlich, deren Anmaßung mich sehr stört; davor war Kickl ein Großmeister solcher Arroganz.

Gewaltentrennung ist ein Fundament der Demokratie und die bisherigen Erfahrungen haben uns gezeigt, daß wir neben Legislative, Exekutive und Judikative die Welt der Publizistik als Vierte Gewalt im Staat sehr dringend brauchen, um die Kontrolle von Macht sicherzustellen.

Wir haben dem politischen Personal Macht nur geliehen. Dafür müssen diese Leute jederzeit Rede und Antwort stehen, haben die Fragen nicht zurückzuweisen. Wir konnten Trump nun einige Jahre zusehen, wie es ihm gelungen ist, diese Vierte Macht zu diskreditieren und deren Kräfte öffentlich zu demütigen.


Wir konnten zusehen, wie sich ein Patriarch, von dem wir nicht genau wissen, was ihm eigentlich je an konstruktiven Dingen gelungen ist, auf die Weltbühne stellt und in allen Details zeigt, was man sich unter einem „Herrenmenschen“ vorstellen darf.

Ich hab Beispiele von Ferndiagnosen gesehen, die Trump als pathologischen Fall auszuweisen versuchten. Ich halte das für falsch und völlig unzulässig. Ferndiagnosen haben keinerlei Wert und sind der Ausdruck eines unseriösen Verhaltens.

Ich brauche übrigens keine Kategorien der Pathologie, um Trump zu verstehen. Deshalb habe ich den „Herrenmenschen“ erwähnt, ein schäbiges Konzept dieser vorherrschenden Männerkultur, für das man keinerlei kranke Seite in sich braucht, sondern nur ausreichend Hang zum Eigennutz, eine Portion Selbstverliebtheit und... Macht.


Ich kenne solche Typen im Frühstadium, wenn sie noch nicht einmal den Bruchteil von Machtfülle zur Hand haben. Die Machtlosen dieser Abteilung verprügeln eventuell Frauen und Kinder, suchen sich Untergebene als Opfer, was auch immer ihnen eine Spannungsabfuhr auf Kosten anderer Menschen erlaubt.

Wenn Trump fällt, soll mir das recht sein, aber wir mögen nun, statt das in Parties abzufeiern, langsam klären, wie bei uns mit solchen Konsorten und ähnlichen Anwärtern umzugehen sei, um ihren anschwellenden Drang zu Eigennutz, zum Schönreden und zur Lüge an die Kette zu legen. Die neue Bourgeoisie hüpft uns ja längst einigen Zynismus vor, während allerhand Malversationen unsere Demokratie untergraben…

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