8. November 2020
Sonntag
Wieso sollte mir nach feiern
sein? Ein Tyrann muß abtreten. Das ist ein angenehmes
Zeichen. Doch dieser Modus „Protektion geht vor Kompetenz“
ist deshalb ja nicht abgeschafft. Ich weiß solchen Groove an
unzähligen Stellen in bestem Erhaltungszustand. Das reicht
von Parlamenten über Vorstandsetagen bis zum Rathaus um die
Ecke.
Überall kann ich so brave Gefolgsleute finden,
die sich in weitreichende Seilschaften einfügen, denen
irgendwo ein anmaßender Kerl vorsteht, der eine
Prätorianer-Garde um sich hat, deren Angriffslust außerhalb
unserer akzeptierten Normen liegt.
Nein, ich feiere nicht. Ich nicke
bloß, weil sich bestätigt hat: jeder Tyrann hat ein
Ablaufdatum. Ich nicke beruhigt und wende mich wieder meiner
Arbeit zu.
Ich habe heute diesen Morgenhimmel
fotografiert. Das gäbe eine unbedeutende Bildpostkarte: „Der
Himmel über Gleisdorf am Morgen, der dem Moment folgte, an
dem dieses amoralische Großmaul die Klappe schließen mußte,
um zu schlucken.“
Ich hänge hier meine
gestrigen Facebook-Notizen an, die zur zweiten
Tele-Drink-Session im zweiten 2020er Lockdown anfielen, denn
wir sind ein paar Leute, die wissen: es muß immer auch ein
Fest geben, und sei es bloß für Minuten. Aber ich feiere
nicht, daß jemand stürzt...
heute, 19:00 uhr, tele-drink-session.
ein anführer, der den nimbus des gewinners einbüsst, wird
manchmal von den eigenen prätorianern gefressen. hab popcorn
geholt und mich auf die couch gesetzt.
aus
dieser flasche möge heute ein sanftes glimmen zwischen meine
ohren kommen. auf das leben! auf die poesie!
(facebook hat den modus der notiz mit november
abgeschafft. egal!) im jahr 1980 kam "the river" raus. ich
hab damals grade in hamburg gelebt und bruce springsteen
live im CCH gesehn. (das ging vier stunden volle kanne
dahin.) ich war mit den "mothers of invention"
saufen und hab mit chappo brandy getrunken: roger
chapman.
eric burdon hatte mir erklärt was das v. in
seinem namen bedeutet. ich hab's vergessen. (weiß es sonst
noch wer?) wolkly rosenberg, ein fröhlicher sinto, der
damals mit gottfried böttcher spielte, zeigte mir ein foto
von seiner familie. eine menge leute bei einem pferdewagen.
dann erläuterte er mir, wer davon die nazi überlebt hat.
waren es zwei oder drei personen? diese art der einsamkeit
hat mich umgehauen.
Triumph Bonneville T100
zu der zeit war ich noch von springsteen's "Born To
Run"
geprägt. und von "Jungleland": "The midnight gang's
assembled / And picked a rendezvous for the night / They'll
meet 'neath that giant Exxon sign / That brings this fair
city light..."
ich war unter all den hipsters
immer der vormalige lehrbub, der prolet. für mich ist das
heute noch okay. diese abschätzigkeit der graduierten und
meine alten motorräder.
heute hab ich beim einkaufen
eine weiße triumph bonnie gesehen. schön! solche dampfhämmer
fuhr ich als junger hund, da hatten diese eisen noch keine
elektrostarter.
für diesen groove hab ich geblutet,
daß sie das blut aus eimern in mich nachfüllen mußten. auch
das ist okay. ich lebe mit einem gebrochenen herzen und
einer wüsten zuversicht.
amerika? natürlich war ich
mit vielem verknüpft, was amerika eben AUCH ausmacht. so ist
es immer noch. jungleland...
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