24. Oktober 2020
Brot und Spiele
Dieses
Pandemie-Jahr hat eine neue Pose in meinen Alltag gebracht.
Ich blicke in den Leinensack beim Kühlschrank und frage
mich: Ist noch genug Brot da? Früher ging ich nach Bedarf
spontan einkaufen. Das Leben im Stadtzentrum erleichtert
sowas. Es sind bloß ein paar Schritte bis zum nächsten
Laden.
Durch den Lockdown habe ich genauer zu planen und auf Vorrat
einzukaufen begonnen. Seither ist mein Rucksack wieder
laufend in Verwendung. Ich habe mich durch verschieden
Brotsorten gekostet, um eine zu finden, die auch vier Tage
nach dem Kauf noch gut eßbar ist. (Das geht keinesfalls mit
billiger Massenware.)
Ich bin sparsamer geworden; was
allerdings auch dringend nötig ist. Freelancers im
Kulturbetrieb sind heuer wohl ausnahmslos auf Grund
gelaufen. Ich staune, wie wenig das in meinem Metier ein
Thema ist; nämlich unaufgeregt und pragmatisch über
geeignete Strategien zu reden. Im Englischen klingt das
wunderbar entspannt: How to make a living?
Die
letzten Jahre haben mich freilich schon gut darauf
vorbereitet. Konzentrierte Arbeit, in der ich laufend mehr
Ideen produziere und projektiere, als umgesetzt werden
können. Sonst versiegt der Fluß an Möglichkeiten und Geld.
Das ist banal und geht – grob geschätzt –
so: Zehn Ideen haben, von denen sieben
skizziert und fünf konzipiert werden. Wenn
ich davon dann ein oder zwei realisieren
kann und dafür Finanzierungen zustande
bringe, bin ich auf Kurs.
Das
bedeutet auch, ich hatte schon vor der
Pandemie begonnen, ein Haushaltsbuch zu
führen, um meine laufenden Ausgaben genau
kontrollieren zu können. Die Anforderung
bleibt simpel. Ich komm nur dann halbwegs
durch Krisen, wenn ich ein geplantes Limit
der wöchentlichen Ausgaben mittelfristig
einhalte.
Was ich in einer Woche mehr
ausgebe, muß ich in der nächsten einspare,
sonst kippt das System. Das bedeutet auch,
jeder Schritt ins öffentliche Leben, der
Verkehrsmittel nötig macht, der in ein Café
oder zu einer Veranstaltung führt,
verursacht Kosten, die eigentlich nicht
verfügbar sind.
Das muß alles in der
Woche davor oder danach eingespart werden.
Wie? Ganz einfach: Verzicht. Das geeignete
Mittel, falls eine Steigerung der
Produktivität nicht machbar ist. Im Grunde
rede ich hier von Aspekten der
Betriebswirtschaft, die sich beim EPU mit
Hauswirtschaft verzahnen. Auch das ist
banal.
Ich habe den in meinem Milieu sehr
populären Begriff „Selbstausbeutung“ nie
leiden können. Er unterstellt nämlich einen
materiellen Status, über den wir noch nie
gesellschaftlichen Konsens hatten. Und er
unterschlägt etwas Wesentliches. Meine
Bemühungen werden in verschiedenen Währungen
bezahlt. Cash ist nur eine davon. Eine
andere: Selbstbestimmung.
Ich hatte
in mehr als vierzig Jahren meines Lebens in
der Kunst die meiste Zeit ein Ausmaß an
Selbstbestimmung, von dem andere Menschen
nicht einmal träumen. Wer, wie ich, diese
Währung lukriert, wird meist an anderen
Währungen weniger einnehmen. Sie erraten es
nun sicher, auch das ist banal.
Für eine nächste Kulturpolitik scheint
es mir unverzichtbar, das Metier klarer zu
zeichnen, was bedeutet: ein Leben in der
Kunst handelt von einem kontrastreichen
Fächer ganz unterschiedlicher
Lebenskonzepte, was sehr verschiedenen
ökonomische Konzepte einschließt.
Ich
beute mich nicht selbst aus, ich gestalte
mein Leben nach eigener Facon, was mich
gelegentlich in Schwierigkeiten bringt, weil
ich dafür Risken auf mich nehme, die andere
aus guten Gründen scheuen würden. Dieser
Eigensinn hat ein Preisschild…
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