6. Oktober 2020
Zensur
Tatsächlich? Ja? Zensur? Das höre
und lese ich derzeit wieder öfter. Was für ein dummdreistes
Geblöke. Hätten wir in diesem Teil Europas Zensur, wären wir mit
einer Armee von Zensoren konfrontiert. Es könnte nur publiziert
werden, was die abnicken. Medienzugänge wären von Türhütern
besetzt.
All diesen Leuten würden Legionen von Spitzeln
zuarbeiten. Davon hätten wir welche in der eigenen Familie, im
Freundeskreis, an den Arbeitsplätzen. (Heute wirkt auch
leistungsstarke Software in diesem Geschäft mit.) Nie wüßten
wir, wer alles dem System dient. Selbst private Gespräche
könnten sanktioniert werden.
Dostojewski hat das erlebt.
Politische Debatten in einem zensurkritischen Zirkel brachten
ihm ein Todesurteil ein. Das wurde umgewandelt: Haftstrafe in
Sibirien. (Diesen Erfahrungen verdankt sich das Buch
„Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“.) Es gibt endlos weitere
Beispiele bis in die Gegenwart.
So geht Zensur.
Veröffentlichungen werden streng kontrolliert. Verstöße gegen
die Reglements werden hart geahndet. Manchmal kommt nachts ein
Rollkommando und schafft eine vorlaute Seele aus der Welt.
Dennoch gab es auch immer Samisdat und immer waren da
Geister, die nicht schweigen wollten. Aber wir hier? Zensur? Man
sollte wissen, wo man lebt! |