24. September 2020

Glauben heißt nix wissen

Es ist eine Ansage aus meinen Kindertagen. Die kassierte man zum Beispiel, wenn man bei einem Thema erkennbar herumlaviert und gestammelt hat, sein Statement mit „Ich glaube, daß…“ eröffnete. Dann konnte die Replik so lauten: „Glauben heißt nix wissen.“

Wissen. Ich kann heute nicht mehr sagen, ob das damals bloß etwas Formelles war, um sich für einen bestimmten sozialen Rang zu qualifizieren oder ob es den Erwachsenen tatsächlich um Wissenserwerb ging. Man wollte ja nicht als „G’scherter“ gelten, als „Prolet“… die Zuschreibung „Prolo“ ist weit jünger und kam erst nach meinen Kindertagen auf.


Qualifikation. Kein fleckiges Gewand. (Es kann ruhig abgetragen sein, aber sauber.) Keine miesen Manieren. Die Beherrschung von Körperfunktionen, was meinte, Rotzen, Rülpsen und Furzen disqualifiziert. Keine Kopfschuppen, keine Schweißflecken. Die Rechtschreibung im Griff. Allgemeinwissen. Lauter solche Details.

Also konnten Gegenpositionen ausgedrückt werden, indem man derlei Merkmale geradezu stilisierte. Irgendwann flatterte von irgendwo der Slogan „Lebenslanges Lernen“ daher. Irgendwann kam von irgendwo der Hinweis, wir seien auf dem Weg in eine „Informationsgesellschaft“. Es folgte der etwas präzisere Hinweis, wir würden uns in eine „Wissensgesellschaft“ wandeln.

Ich kann mich aber an keine öffentliche Debatte erinnern, die betont hätte, daß zwischen Information und Wissen ein essentieller Unterschied bestünde. Doch das waren ja auch Jahre, in denen Computer vor allem zwei markante Merkmale aufgedrückt bekamen: a) Elektronengehirn und b) Blechtrottel.

Ein bemerkenswerter Aspekt in dieser Adaptionsphase mitten in der Dritten Industriellen Revolution: Superhirn oder Volldepp? Während der 1970er Jahre waren zum Beispiel in den Grazer Puchwerken Ingenieure noch mit Rechenschiebern bei der Arbeit. EDV gab es in der Buchhaltung. Die Stadt hatte ein Rechenzentrum, wo große, summenden Maschinen standen, bei deren Abwärme man nicht frieren mußte.

Ich denke, solche Anlagen nannte man Mainframe. Im Jahr 1984 unterhielt uns der FilmTerminator“ (James Cameron), in dem sich ein computergestütztes System selbständig gemacht hatte und daran ging, die Menschheit auszulöschen.


Rund ein Jahrzehnt davor, nämlich 1975, hatte ich James Caan bestaunt, wie er sich als Jonathan E. in Rollerball“ (Norman Jewison) gegen ein System auflehnt, das die Menschen in eine Mischung von Unterordnung, Komfort und Entertainment bettet, zwingt.

Bloß zwei von etlichen Beispielen, wie die Unterhaltungsindustrie uns die Digitale Revolution vorführte, unentschieden, ob denn die Computer sich nun mit unseren Gehirnen messen könnten oder doch bloß maschinelle Deppen seien.

Der Begriff Künstliche Intelligenz (KI oder auch AI für Artificial Intelligence) half in der Frage wenig, verwischte das Thema eher. Wir nehmen „Intelligenz“ ja als eine bestimmte menschliche Eigenschaft, die schon vor Zeiten der KI als eher trübe Kategorie gelten mußte.

Ich finde es nützlicher, von Maschinenintelligenz zu sprechen, wenn wir Systeme der Gegenwart benennen; im Unterscheiden zwischen Mensch und Maschine. Die Vierte Industrielle Revolution ist Faktum, selbstlernende Maschinen mit enormer Rechenleistung können heute vieles besser, was bisher nur von Menschen geleistet wurde.

Ich wäre froh, würde allgemein mehr Klarheit herrschen, was Information von Wissen unterscheidet, was Wissen im Kontrast zum Glauben ist. Die Corona-Pandemie hat das noch unterstrichen, denn da boomt derzeit ein Obskurantismus und ein kühnes Herumbehaupten, daß ich nur staunen kann.

Ich brauche nun noch ein Weilchen, um Klarheit zu finden, was das für meinen aktuellen Arbeitsansatz im neuen Abschnitt bedeutet, für:

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