11. September 2020

Moria

Ich hielt eben noch jenen Samstag, den 29.8.2020, für die Markierung einer Weggabelung, als in Berlin bloß drei Polizisten an den Toren des Reichstages einer heraufrennenden Meute entgegenstanden. Das ersparte uns Bilder, wie jemand unter dem Dach des Parlaments eine Reichskriegsflagge schwenkt.

Bilder haben große Macht, in diesen Tagen mehr als früher, da wir in einer weltumspannenden Info-Sphäre leben. Ich dachte, diese Markierung ragt heraus, steht für sich. Ich hatte keinen Gedanken, daß dieses Motiv bei uns gleich übertroffen werden könnte.

Inzwischen hörte ich unseren Außenminister Alexander Schallenberg angesichts der brennenden Lager von Moria in wohlklingenden Sätzen über die Vermeidung von „Pull-Effekten“ sprechen. Ich sah dieses gepflegte Gesicht mit den entspannten Zügen.

Keine Interferenz im Klang seiner Worte, keine Nuance der Unsicherheit. Jurist. Diplomat. Exekutor einer Glätte, die mich erschreckt. Natürlich weiß ich, woher mein Erschrecken kommt. Ich bin ein Kind des Faschismus. Ich kenne die groben und die feinen Töne auf dem Weg in die Menschenverachtung.

Erst hab ich es emotional und körperlich erfahren müssen. Später hab ich es intellektuell erkundet. Dann war mir der Untergang Jugoslawiens Gelegenheit, als erwachsener Mann Orte und Menschen kennenzulernen, an denen sich die Unmenschlichkeit abgearbeitet hatte.

Ich bin tief in die Texte jener gegangen, die ein Grauen überlebt haben, darüber schreiben konnten. Was ich nun höre und erkenne, brauche ich nicht zu debattieren. Es ist mir in jeder Nuance so einer Stimmlage, solcher Sätze, gut vertraut. Dieser Mann hat Österreich einen Tag der Schande bereitet.

+) Siehe dazu auch: "Bleda Bua!"
+) Ab August 2020

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