28. August 2020
Schwule
Graz, ein Ort der Wunder? Er
verzehrt sich nach Bedeutung. Als er sich selbst zuraunt, sein
Gott brauche ihn als Werkzeug auf Erden, hat er endlich ein
großes Gefühl. Diese Empfindung läßt ihn erbeben und nach
Vollendung suchen.
So träumt ihm, er, er ganz persönlich,
könne seinem Gott gefallen, wenn er seine Schirmkappe tief ins
Gesicht zieht, sich durch die Nacht schleicht und auf ihm völlig
fremde Menschen mit einer Latte einschlägt.
Das ist die
eine Anmaßung. Die andere Anmaßung ist sein Urteil über Juden
und Schwule. Die dritte Anmaßung ist seine Selbstermächtigung,
eine von ihm verhängte Strafe nachts zu exekutieren.
Nachdem der aufgeregte Kerl im Kostüm des Gotteswerkzeugs den
Präsidenten der Jüdischen Gemeinde von Graz (Elie Rosen),
körperlich attackiert hat, legt er einen bedeutenden
„Gottesbeweis“ für seine Sendung vor: er wird kurz darauf
geschnappt und kann auf absehbare Zeit nicht weitermachen.
Immerhin erfahren wir so seine Motive. Er haßt Juden und
wolle sie alle „aus Palästina weg haben“, denn die hätten „aus
seiner Sicht dort nichts verloren“. Ferner: Homosexuelle seien
„nicht normal“ soll er gesagt haben, „Homosexualität dürfe laut
seiner Religion nicht sein“. (Quelle)
Da möchte man ihm raten: „Na, dann meide Homosexuelle, falls
dir welche begegnen und du sie tatsächlich erkennst. Die Welt
ist groß genug. Du kannst ihnen leicht aus dem Weg gehen.“
Aber er will ja ein bedeutendes Werkzeug sein. So drängt er sich
anderen Menschen auf und drängt der Welt seine recht
unerhebliche Überzeugung auf, schlägt zu.
Seine Motive
mußten freilich nicht erst nach Österreich importiert werden,
die haben wir aus den eigenen Brauereien der Menschenverachtung
in vielen Varianten vorrätig.
Da stellt sich die Frage,
wie wir mit einer vorherrschenden Männerkultur vorankommen
könnten, in der das Selbstverständnis und das Selbstbewußtsein
von Männern an vielen Ecken so eklatant schwächelt, daß diese
Männer sich dauernd an Schwulen abarbeiten müssen.
Und
zwar, indem sie Schwule als angebliche „Nichtmänner“, wahlweise
„Sünder“, markieren, um sich selbst auf diesem Weg eine
relevante „Männlichkeit“ zu bestätigen. Es ließe sich als dumme
Marotte abtun, daß jemand seine Mitmenschen auf solche Art
benützt, damit das eigene Ego endlich ein wenig an Konturen
gewinnt.
Aber es ist verletzend. Und es ermutigt andere,
sich über Schwule zu erheben, sich solche Abschätzigkeiten und
Attacken anzumaßen. Es führt, wie man auch jetzt sehen kann, zu
Akten der offenen Gewalttätigkeit. Unterm Strich hat es mit
Schwulen nicht zu tun, sondern mit den Identitäts- und
Autoritätsproblemen solcher Angreifer, mit ihrem Wunsch nach
Spannungsabfuhr.
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