25. August 2020
Das mit den Juden
Was soll mit den Juden
sein? Nichts ist mit den Juden. „Die Juden“, das läßt sich so
schlampig dahinsagen, weil praktisch zurechtgelegt. Und dann tut
sich schon wieder so eine Kanaille hervor, ist nicht fähig oder
nicht bereit, die Verantwortung für das zu übernehmen, was im
eigenen Herzen vorgeht, muß das an jemandem abarbeiten, der mit
ihrem Leben nichts zu tun hat.
Folglich diese Anmaßung.
Der Mann sucht sich einen Juden, auf den er einschlagen möchte.
Aber wie erkennt man einen Juden? Ich erkenne Juden nicht. Auch
wenn ich schon vielen begegnet sein mag, man sieht es ihnen ja
nicht an.
Einmal hab ich mit einem Mann geplaudert, der
mit Vornamen Zvi heißt. Na, das könnte einer sein. Nach der
Lektüre des Buches „Der Zauberer von Lublin“ habe ich mit
Vergnügen etliche weitere Werke von Isaac Bashevis Singer
gelesen. Die handeln von jüdischem Leben.
Wenn dann auch
noch der Autor sowohl Isaac als auch Singer hieß, wird er wohl
ein Jude gewesen sein. Aber hatte ich dabei oder dadurch
irgendeine Art „jüdischer Erfahrung“? Nein. Ich hatte einfach
nur großes Lesevergnügen durch eine hervorrragenden Erzähler und
fand jene Anregungen, die vorzügliche Literatur bietet.
Als Berlin im Osten noch die Hauptstadt der DDR war, nutzte ich
den Besuch der Stadt, um dort auch im Arbeitszimmer von Arnold
Zweig zu stehen. Eine sentimentale Stunde. (Ich erinnere mich
besonders an die Augengläser auf dem Schreibtisch.)
Zweig
war fraglos ein Jude. Aber was wäre nun das „spezifisch
Jüdische“ an meiner Zweig-Lektüre oder am Besuch seines Hauses
gewesen? Da sind Phantasmen.
Wenn ich also einem Juden
begegne und sein Dresscode verrät mir sein Selbstverständnis
nicht, dann müßte er mir in einem Gespräch offenlegen, welche
Zugehörigkeit ihn ausmacht. Anders läßt es sich nicht wissen.
Deshalb, so denke ich, hat sich die Kanaille von Graz Elie
Rosen, den Präsidenten jener Jüdischen Gemeinde, für seine
Attacke ausgesucht. Weil er sonst nicht gewußt hätte, wer ein
Jude ist. Und was ein Jude sei, das hat er sich selbst
zurechtgezimmert, um sich sein völlig unakzeptables Verhalten
schönzureden.
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