7. August 2020
Was muß?
Genauer: was muß im
öffentlichen Raum möglich sein? Staatsanwalt Johannes
Winkelhofer als Lehrmeister in Fragen des Politischen. Das darf
man vom Anwalt des Staates erwarten. (Er garnierte die ersten
Verhandlung mit einer Serie von Ermahnungen.) Im Kern ist er
jemand, der zum Beispiel die Wahrung des Gewaltmonopols des
Staates im Auge behält.
Wir Menschen haben einen
unleugbaren Hang zur Regelübertretung. Auch das will im Auge
behalten werden. Also geht es in der Frage von Sanktionen um
Augenmaß. Publizist Jonas Pregartner erwähnte in seinem Artikel
zur Sache, es gehe um einen Präzedenzfall, weil es an
einschlägiger Judikatur fehle. (Kann das sein?)
Er
zitierte Winkelhofer: „Das ist ein wichtiges Verfahren, die
Polizeibeamten wissen nicht, wann sie einschreiten sollen…“
(Kleine Zeitung). Ich hätte als Laie angenommen, wenn jemand
körperliche Gewalt anwendet oder wenn der Ablauf der
Veranstaltung durch Aktionen von außen verändert wird, wüßte die
Polizei, was zu tun ist.
Wenn dagegen der anwesende
Verfassungschützer einen gezeigten „Stinkefinger“ protokolliert,
wäre die Abwägung zwischen den Kosten der verfassungsschützenden
Arbeitskraft und der Wirkmächtigkeit des Fingers in der Zweiten
Republik schon ein paarmal praktiziert worden.
Aber
vielleicht ist das Ausjudizieren der Optionen im sanften Bereich
bisher noch nicht erfolgt. Unsere Polizeikräfte sind gewiß für
den Fall geschult, daß ein Rudel vermummter, angriffslustiger
Leute auf eine Versammlung losgeht.
Unsere Polizeikräfte
haben bestimmt auch Erfahrung mit einer großen Zusammenrottung
Andersdenkender, die durch kollektive Pfeifkonzerte, Schreien im
Chor und andere Arten der Lärmentwicklung ein Wahlkundgebung
unterbrechen oder gar kippen. Das soll es schon gegeben haben.
Aber diese vier Leute, unbestritten ohne Angriffslust und
Gewalttätigkeit, mit ein paar Pfiffen und ein paar Kuhglocken im
Kontrast zu einer professionell orchestrierten Wahlkundgebung,
die akustisch über eine leistungsstarke Tonanlage zur Sache kam,
da zählt dann offenbar jeder „Stinkefinger“.
Ich habe bei
der Verhandlung sehr gut verstanden, der Staat kann es nicht
erlauben, daß eine Wahlveranstaltung im öffentlichen Raum
gebeugt, beeinträchtigt, womöglich gekippt wird.
Ich
warte allerdings gespannt, wie man jene „erhebliche Störung“
belegen möchte, die der Staatsschützer protokolliert hat.
Außerdem würde ich von Herrn Winkelhofer gerne erfahren, welches
Maß an äußeren Einflüssen er im öffentlichen Raum für vertretbar
hält; mehr noch, wieviel an äußeren Einflüssen jemand im
öffentlichen Raum unbedingt akzeptieren muß.
Dieser Raum
gehört uns allen, ist der primäre Raum einer Demokratie, welcher
durch leibliche Anwesenheit von Menschen zum politischen Raum
wird. Wollte dort jemand die gesamte Situation inhaltlich und
qualitativ regulieren, müßte man der FPÖ eventuell auftragen,
ihre Wahlversammlung auf privatem Grund abzuhalten. Saal oder
Freigelände, umzäunt, abgeschlossen, mit kontrolliertem Eingang.
Dazu gibt es ja historische Modelle mit restriktiven
Zugangsbeschränkungen und wehrhaftem Saalschutz.
Ich
möchte dem Staatsanwalt allerdings zurufen: im öffentlich Raum,
der unausweichlich ein politischer Raum ist, müssen Stimmen laut
werden können, spontan erhoben werden können, die nicht erst
durch eine amtliche Genehmigung zugelassen werden.
Diese
Situation müßte mindestens so viel Spielraum lassen, wie das
österreichische Parlament. Was dort einen Ordnungsruf nach sich
zieht oder gar einen Ausschluß, könnte den Freiraum vor solchen
Sanktionen skizzieren.
Klären wir also bitte, wie weit
das im öffentlichen Raum gehen können muß und lassen Sie uns vom
Aufritt des Charles Quintin LeMonds ausgehen. Damit haben wir
einen Referenzpunkt, an dem die Debatte beginnen kann.
[Eine Facebook-Notiz]
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