5. August 2020
Pfiffe in der Nacht I
Bezirksgericht
Weiz. Die Amtsträger nehmen es genau. Das schätze ich. Es geht
um Details, um Intentionen, um Effekte. Der Richter erklärt das
Setting: „Sie stehen hier nicht unter Wahrheitspflicht. Sie
müssen nicht mit mir reden. Sie können mich auch anlügen. Oder
Sie können gestehen.“
Daraus schließe ich: sind alle
erhebbaren Umstände erhoben, wird das Gericht die
Gesamtdarstellung bewerten und danach urteilen. (Hätte ich bloß
dem Staatsanwalt eine Kanne Kaffee mitgebracht. Er wirkte, als
würde ihn das alles unfaßbar ermüden.)
Kleiner Einschub:
Leute, wir müssen ernsthaft darüber reden, was Kunst ist, Kunst
kann und Kunst bedeutet! Wir müssen aber auch über den
öffentlichen Raum und die Teilnahme am öffentlichen Leben reden,
über öffentliche Diskurse!
Weiter. Eine der offenen
Fragen müßte lauten: ist es physikalisch überhaupt möglich, in
Front zweier Lautsprechertürme, unter Hunderten von Menschen,
mehrere Pfiffe auszustoßen, ohne Hilfsmittel, menschliche
Pfiffe, die eine solche Wirkung auf die Situation haben, daß
Menschen in ihrem Recht behindert werden, den Ausführungen der
Redner zu folgen und sich über angebotene politische Inhalte zu
informieren?
Geht das überhaupt? Ist das körperlich
machbar? Ist eine Tatausführung, in diesem Sinn feststell- und
nachweisbar? Kann ein Pfeifer im Sturm eine „erhebliche
Störung“ des Sturmes verursachen?
Die Antwort auf
diese Frage interessiert mich brennend, weil sie etwas über
unsere aktuelle Mediensituation und Gesellschaftsverfassung
aussagen wird, über den Status der Tradition von Agora und Pnyx,
über Staatsbürgerschaft und Grundrechte.
Ich sorgen mich
heute nicht um den Angeklagten Charles Quintin LeMonds, geboren
in St. Louis, irgendwo am Mississippi. Ich sorge mich überhaupt
nicht, denn jede Kontroverse ist ein guter Anlaß, die eigene
Position zu überprüfen und mit anderen darüber ins Gespräch zu
kommen.
[Eine Facebook-Notiz]
Pfeifer im
Sturm
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