3. August 2020

Der Troll und der Horazianer

Ich spreche nicht mit Engeln. Ich erhalte keine Botschaften vom Universum. Ich muß mein Leben ohne die Weisheit alter Indianer schaffen. Es ist ein entsprechend bescheidenes Leben. Allerdings tendiere ich zu etwas Zahlenmystik.

Wenn ich etwa in meinem Logbuch bei einer runden Position ankomme, hat das für mich einen speziellen Reiz, den ich nicht zu erklären vermag. Nun also hier das Blatt Nummer 2.850 meiner Rastlosigkeit, um ein Stück Definitionshoheit zu erhaschen.



Immerhin hatte es für den ersten Klassenzug gereicht ;-)

Genau das ist einer der Angelpunkte von Autorenschaft. Eine lateinische Redensart besagt: „Verba volant, scripta manent“. Worte verfliegen, Schriften bleiben. (Nein, sowas hab ich nicht im Ärmel, das muß ich nachschlagen.)

Es entspricht unserer Redensart „Wer schreibt, der bleibt“. Das hat seine politische Entsprechung im Bonmot „Jedes Schriftl is a Giftl“. Damit wird Dokumenten ein interessantes Potential zugetraut. Obwohl bei uns auch mündliche Verträge bindend sind, Zusage und Handschlag haben einen romantischen Nimbus.

Freilich macht einen das auch angreifbarer. Erst gestern hat mir der Hartberger Troll Günther B. wieder einmal sein Herz ausgeschüttet: „Deine Apercus -denn Aphorismen sind es nicht- sind sowas von banal, merkst du das nicht selbst??“



Auslöser dieser Reaktion war folgendes Posting: ich würde gerne, bloss aus laune, einen tag einführen, an dem man mich nur mit "euer ehren" ansprechen darf

Natürlich merke ich das. Da ich seit Jahren alles gebe, muß man also konstatieren: mehr wird es nicht. Die Motive sind ebenso banal wie mein Werk. Schon Horaz wußte, daß Dichter einen entweder belehren oder beeindrucken möchten, vorzugsweise beides. Sie möchten schreiben und dem Publikum gefallen, indem sie den Menschen die Welt erklären; oder so ähnlich.

Ich hab auch das nachgeschlagen. Horaz meinte: „aut prodesse volunt aut delectare poetae aut simul et iucunda et idonea dicere vitae.“ Eckart Schäfer übersetzte es so: „Entweder nützen oder erfreuen wollen die Dichter oder zugleich, was erfreut und was nützlich fürs Leben ist, sagen.“

Horaz machte das dann gleich selbst: „Wozu du auch immer ermahnst, sei kurz, damit deine Worte schnell der gelehrige Sinn erfaßt und treulich bewahrt; alles, was überflüssig ist, entfließt dem vollen Herzen. Was man des Vergnügens wegen erfindet, sei dicht an der Wahrheit…“


Troll Günther und die Frauen?

Ich hab ferner nachgeschlagen, was genau ein Aperçu sei, nämlich das Aperçu. Laut Wikiped: „französ.: ‚flüchtiger Blick‘, auch ‚Übersicht‘, ‚kurzgefasste Darstellung‘… wogegen die gleiche Quelle den Aphorismus folgendermaßen definiert: das „ist ein selbstständiger einzelner Gedanke, ein Urteil oder eine Lebensweisheit, welcher aus nur einem Satz oder wenigen Sätzen bestehen kann“.

Wie eingangs schon angedeutet, mit Weisheit, gar Lebensweisheit, habe ich ohnehin nichts zu tun. Ich sehe mich eher als eine Art simplen Horazianer: schreiben, die Menschen erfreuen, ein wenig belehren, natürlich möglichst Frauen beeindrucken, wie mein Hartberger Troll scharfsinnig bemerkte, als er in seiner Selbstdefinition durch Feindmarkierung feststellte; „Will mir auch keinen Groupie-Stall anlegen....“.

Ein „Groupie-Stall“? Naja, stimmt schon, Frauen, hauptsächlich zwischen Anfang 40 und Mitte 60, diese ahnungslosen und leicht zu beeindruckenden Wesen, auf Facebook um sich zu scharen, Tag für Tag zu Kommentaren und freundlichen Likes zu verführen, das ist tatsächlich… ein wenig frivol.

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