27. Juli 2020
Über die Dörfer
Drei Generationen reichen, um ein
Jahrhundert zu durchmessen. Ich hab meine Großeltern, Leute aus dem 19.
Jahrhundert, noch aus realer Begegnung gekannt. Wir sind längst im 21.
angelangt. Den Kada hab ich für jünger gehalten als er ist. Das dürfte
inzwischen an meinem Alter liegen. Der Dottore ist vorsichtig, wenn er
sagen möchte: deine Generation.
Norbert Gall, Head of Marketing Toyota & Lexus
Niemand von uns sagt Kohorte; nicht einmal
Peer
Group. Der Begriff Generation reicht völlig, dazu kommt dann – je nach
Anlaß – noch Szene oder Milieu, um Drinnen und Draußen zu präzisieren.
Die 1950er- und 1960er-Jahrgänge, da ist viel Verbindendes.
Die sehe ich
als meine Generation. Die 1940er waren noch anders, waren ganz direkt
von einem völlig anderen Kräftespiel bewegt. Leute aus den
1940ern hab ich auch später, als junger Kerl, deutlich im Kontrast zu
mir erlebt. Eine andere Generation. Und die 1970er Jahrgänge ebenso:
andere Baustelle. Daher ja, meine Generation, das läßt sich deutlich
machen.
Als ich 1956 zur Welt kam, lag das Kriegsende ein
Jahrzehnt zurück. Die Traumata hatten sich setzen können. Es war auch
genug Zeit für neue Lebenslügen und eine eigentümliche Doppelbödigkeit.
Dem stand etwas gegenüber, das mit großer Wucht anschob: Zuversicht.
Die kippte meine Generation in eine Phase von beispiellosen Ausmaßen an
Sicherheit, Wohlstand und Freiheit. Freilich wohnten Dämonen im
doppelten Boden. Das bekamen einige von uns sehr hart zu spüren.
Als Teenies hatten wir die Volksmotorisierung des Landes miterlebt. In
den 1970er Jahren standen für uns Kraftfahrzeuge aller Preiskategorie in
der Gegend herum. Wir konnten alle zu einem beliebigen Preis einsteigen.
Irgendwas ging immer und auf jeden Fall.
Genau solche Motive
klangen an, als wir nun die Tour über die Dörfer machten, nach alten
Fahrzeugen Ausschau hielten und übers Leben redeten, um Kada zu treffen,
einen anderen Rückweg zu nehmen, dabei sehr komfortabel in diese
rasanten Zweisitzer gepackt.
Supra GR. (Das Kürzel steht für
Gazoo Racing.) Die Karre ist ein astreiner Gran Turismo mit mehr Dampf
als die Polizei erlaubt. So nun mein Background: Sicherheit, Wohlstand
und Freiheit, wie das in der Menschheitsgeschichte völlig neu war,
erstmals vorkam. Ein Ausmaß, das keinen Bestand hat. Wir sehen gerade
zu, wie es nennenswert abnimmt.
Dabei hat sich nun das Thema
Kohle & Stahl erschöpft, ist das Automobil als General-Fetisch unserer
Gesellschaft längst angefochten und massiv in Frage gestellt worden. Wie
wir also nun unterwegs waren, dieses Cruising in einer von
alltagstauglicher Vernunft völlig befreiten Karre, ist demnach ein
Anachronismus.
Von links:
Norbert Gall und Tom Kada
Es verlangt allerhand soziokulturelle Arbeit, um
diesen aktuellen Umbruch abzufedern und die ideologischen Kampfzonen zu
befrieden. Die Entwicklung war über wenige Jahrzehnte so rasant
vorangekommen, daß uns heute der absehbare Umstieg in andere Konzepte
schwer fällt.
Darum kreiste unterwegs ein Teil unserer Debatten,
pointiert, als wir schließlich bei Tom Kada in der Südsteiermark
ankamen. Er verkörpert eine dieser interessanten Mischungen, dank derer
sich Dinge verändern. Erst einmal gelernter Tischler. Dann gelernter
Maschinenbauer, weil er diese Kompetenzen erwerben wollte. Heute nützt
er beides, um alte Lastwagen zu restaurieren.
Schließlich wäre da
noch der Broterwerb im elterlichen Betrieb. (Ein
Bestattungsunternehmen.) Und die Universität plus das Recherchieren in
Archiven. Geschichtskenntnis als unverzichtbares geistiges Beiwerk. Sie
verstehen, worauf ich ziele? Die Handarbeit und die Kopfarbeit
ungetrennt, eng miteinander verzahnt.
Der Werkstolz als Ergebnis
von Handfertigkeit, aber auch die intellektuellen Leistungen, die zu
Ergebnissen führen. Wir können nicht darauf verzichten, das auf einem
gemeinsamen Feld zu haben. Es geht nur so. Worum geht es? Erkenntnis.
Und dieses alte Prinzip: Erkenntnis soll sich erweisen, nicht bezahlt
machen.
-- [Fette
Beute]
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