30. Juni 2020

Wie hab ich diese Session im Schloß genossen. Es schien alles zu passen. Wache Leute, anregende Debatten, ein emotional Spürbares Interesse des Publikums an den Arbeiten… Maler Chris Scheuer schrieb mir gestern: „ich hab irgendwann zwischen dem Malen so richtig das Gefühl gehabt ,ich fang da was an, was man grossspurig als Alterswerk bezeichnen kann - das aber eh wieder ein ganzes Leben ist“.



(Foto: Kerstin Feirer. Hier die Video-Doku!)

Was für eine schöne Mitteilung von einem, der nicht in Sicherheit lebt, sondern in seiner Existenz auf eine fragile Balance achten muß, die keinesfalls von selbst bestehenbleibt. Vom sommerwarmen Freitag ging es dann in dieses merkwürdige Wochenende mit den Hagelstürmen, welche hier im ländlichen Gebiet Existenzen zerschlagen haben.

Wir Kunstschaffenden sind eben nicht allein mit dieser Bedrohung im materiellen Dasein. Es ist eine von vielen Professionen, die solchen Kräftespielen unterworfen bleibt. Also haben wir laufend an den Bedingungen des Metiers zu arbeiten.

Ich hatte dann noch einen sentimental stimmenden Vorfall. Im Bestaunen des Unwetters, die Fensterscheiben waren stellenweise dicht wie bei einer Autofahrt in schwerem Gewitter, übersah ich, wie schnell das Wasser an einigen Stellen in die Wohnung fand.

Das gab ein massives Aquaplaning in meiner Wohnung, über das ich zu hektisch losging und ein prächtiges Bankel gerissen hab; genauso derb wie am 1. Mai. (Siehe dazu die betreffenden Zeilen aus dem Lockdown!) Neuerlich also Blessuren und eine feine Zerrung, die sich anfühlt, als wäre ich im Fitness-Center gewesen. Ein heftiger Sturz statt stundenlanges Training, um ein vergleichbares Körpergefühl zu bekommen. Das hat Potential. Aber!

Ich grüble seit Tagen über das Medium „Offener Brief“ nach. Seitens der Österreichischen UNESCO-Kommission kam eben eine Solitaritätsadresse mit dem Titel „ARGE Kulturelle Vielfalt fordert eine Kulturpolitik des Ermöglichens über die Krise hinaus“. [Quelle]

Ich bleibe vorerst sehr ratlos, weil ich an Formulierungen hänge, die mir Kummer bereiten. Da finde ich etwa unter den „zentralen Forderungen“ an erster Stelle zwei Punkte:
- 1) „Keine Sparprogramme: aus Förderungen müssen Finanzierungen werden.“
- 2) „Kein Zwang zu Profitorientierung: Freie Kulturarbeit muss von den Rändern in die Mitte der Kulturfinanzierung rücken.“

Sofort möchte ich wissen und klären: was heißt was konkret? Ad 1) „Förderungen müssen Finanzierungen“ werden? Ich weigere mich schon seit Jahren, von Förderungen oder Subventionen zu sprechen, denn das sind Kofinanzierungen seitens des Staates bei gemeinsamen Vorhaben (Kooperationen), in die alle Beteiligten einbringen, was sie haben.

Der Staat „fördert“ mich nicht, sondern es findet ein Leistungsaustausch statt, in dem ich Cash erhalte und dafür andere Ressourcen einbringe. Bedaure, aber da sehe ich die falsche Sprachregelung, um neues Terrain zu erreichen. Die Forderung „Keine Sparprogramme“ bleibt mir schleierhaft, weil sie eine Relation benennt. Gemessen an welchem Status quo soll nicht gespart werden? Meint das, es soll „mehr Geld“ oder es soll „nicht weniger Geld“ aus öffentlichen Mitteln in den Kulturbereich?

Eines unserer Konferenzzentren, das Gasthaus Saulauf,
gemalt von Chris Scheuer

Da wäre mir wohler, es wäre von einem ganz konkreten Anteil die Rede, also zum Beispiel drei oder vier Prozent von 100 Prozent des steirischen Landesbudgets etc.

Ad 2) „Kein Zwang zu Profitorientierung“ läßt mich im Unklaren, was angesichts der fortgeschrittenen Durchökonomisierung unser aller Leben damit gemeint sei. Heißt das, Wissens- und Kulturarbeit soll kein Geldkapital generieren müssen? Hat sie das denn je im Bereich der „Freien Kulturarbeit“ getan? Oder geht es bloß darum, betriebswirtschaftliche korrekt zu arbeiten?

Es wäre also eventuell von Kapital und Geld im marxistischen Sinn gesprochen. Würde ich aber Kapital im Sinne von Bourdieu (Kapitalsorten) meinen, läge ich ja damit völlig richtig, nun in den Debatten geltend zu machen, daß Wissens- und Kulturarbeit (sowie auch Kunstpraxis) verschiedene Arten Kapital generiert und verfügbar macht.

Unsere Arbeit „muss von den Rändern in die Mitte der Kulturfinanzierung rücken“? Ich fürchte, das fällt a) unter Esoterik oder b) unter Werbeagentur-Sprech. Was es aber konkret meint, bleibt mir schleierhaft.

Bedaure! Eine „Kulturpolitik des Ermöglichens“ verhandeln wir nun seit den 1970er Jahren. Die bräuchte kein „über die Krise hinaus“, sondern ein paar frische Überlegungen, wovon denn heute eine nächste Kulturpolitik handeln möchte.

Um darin voranzukommen, kann ich nicht die Sprachregelungen der Leute aus Politik und Verwaltung übernehmen, sondern brauche eine Sprache, die aus unseren Arbeits- und Lebensbedingungen kommt.

ÜBERSICHT: "Resurrection" | Die Doku-Videos | Kulturpolitik

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