27. Juni 2020
Ein Abend an dem alles gestimmt hat. Eine feine Markierung am
Lockdown-Ausgang. Kürzlich hab ich noch meine Tele-Drink-Sessions mit
Freunden gehabt, um jeweils eine Lockdown-Woche zu verabschieden. Jetzt
die Vernissage zu den Bildern von Chris Scheuer.
Da es an mir lag, den Abend zu eröffnen, hatte
ich mir Notizen gemacht. Sich selbst Rechenschaft geben. Der Auftakt… Es
korrespondiert mit einem Satz, den Schauspielerin Carola Gartlgruber in
einem der anschließenden Gespräche gesagt hat: „Wer auf die Bühne geht,
muß sich selbst kennen.“
Das hab ich übrigens an diesem Abend
besonders genossen. Diese sehr klaren Gespräche mit Menschen aus meinem
Metier; Menschen die in der Kunst leben. Dieser Lockdown hat allerhand
deutlicher gemacht. Zum Beispiel das Ausmaß an Klärungsbedarf über
unsere Profession, wo sich uns gegenüber eine neue Bouregoisie etabliert
hat, die zum Thema Kunst recht viel Mumpitz äußert.
Ja, man muß sich selbst kennen, wenn man vor Menschen hintritt und die
Annehmlichkeit genießt, daß einem eine Weile zugehört wird. Die
erwähnten Notizen beginnen mit einer Passage, die ich nicht vorgetragen,
aber erlebt hab:
Wozu sind Sie heute hier? Für mich weiß
ich es. - Begegnung mit geistreichen Menschen. - Guter Wein, der
möglichst nicht versiegt. - Nächste Wahrnehmungserfahrungen.
Kunst. Ästhetik – Aisthesis. Denken in Worten, Bildern und Emotionen.
(Das Fleisch arbeitet mit.)
Der Lockdown hatte uns ein
Übermaß an Gezänk und eine Flut vorlauter Behauptungen erleben lassen.
So viel Unbelegtes und Unüberprüftes, vermischt mit rebellischen
Attitüden und offenbar unbewältigten Autoritätsproblemen.
Die Arbeiten von Chris Scheuer waren ein Anlaß, auf die eigene
Wahrnehmung zurückzukommen, auf Inhalte und auf eine Kommunikation
miteinander, die einen teilhaben ließ, ohne andere vor sich
herzutreiben.
Man müßte zu erklären wissen, warum das nicht auf
angemessene Art auch einer ganzen Gesellschaft gelingen sollte und
weshalb das Gezänk, das Brüllen, das Bedürfnis, den Dissens wie eine
Keule zu benutzen, bei vielen Leuten derart dominiert.
Ich tippe
auf den Umstand, daß wir alle über hundert Generationen Untertanen
gewesen sind. Ich mag dieses Bonmot aus einem Unterhaltungsroman, auch
wenn mir die genaue Quelle gerade nicht einfällt: „Der Sklave träumt
nicht davon frei zu sein, sondern Herr zu sein.“
Das Thema ist
akut! Ich hab auf der Kunst Ost-Website „A
Call to Defend Democracy“ notiert. Dies ist nicht der Spanische
Bürgerkrieg. Es geht also auch derzeit nicht darum, Waffen zu ölen. Die
Demokratie wird angegriffen, indem jemand den Journalismus angreift, die
Wissenschaft, die Kunst. Und sie wir über die Wirtschaft angegriffen,
auch im Korrumpieren unserer Politik.
Wir haben daher mit Kompetenz und
mit gelingender Kommunikation zu antworten, auch mit sozialen
Handlungsweisen. Wir haben zu antworten, indem wir für ein geistiges
Leben einstehen, das dem Geschwätz, dem Gezänk und den Lügen etwas von
Relevanz gegenüberstellt.
ÜBERSICHT: "Resurrection"
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