16. Juni 2020
Wo sind wir angekommen? Seit
gestern gilt die 5. COVID-19-LV-Novelle. Damit hat der Staat jenen
Freiraum vertieft, indem wir unsere Eigenverantwortung pflegen können,
ohne daß Sanktionen möglich sind. Diesen Spielraum hatten wir, entgegen
dem Geplärre von erregten Kulturpessimisten, freilich schon vorher.
(Niemand zwingt uns, staatliche Anordnungen auf Punkt und Beistrich zu
befolgen.)
Wir sind rund 13 Wochen nach Lockdown-Beginn in einem
neuen Abschnitt angelangt. Der Lockdown war mit 1. Mai beendet, nachdem
der Staat ihn ab 16. März per Covid-19-Maßnahmengesetz verfügt hatte.
Schäden reparieren, Erfahrungen auswerten, neue Modi entwickeln und
erproben.
Die letzten 13 Wochen hatte sich der Staat über
Verordnungen Sanktionsmöglichkeiten gegeben, um Rechtsgrundlagen
für sein mögliches Eingreifen zu haben. Wir wissen heue, dabei
wurde stellenweise geschludert. (An den Konsequenzen wird noch
zu arbeiten sein.)
Daß
aber die Demokratie substantiell gelitten hätte, kann ich nicht
sehen. Freilich gibt es alle Arten von Profiteuren, die eine
Situation gerne schlechtreden, um sich selbst als Heilsbringer
in Stellung zu bringen. Dieses Festival der Heilsversprechen
hatte seine Höhepunkte und ebbt derzeit merklich ab. (Siehe dazu
auch meine Notiz „Trittbrettfahrer und
Verschwörungs-Ministranten“!)
Die Verschwörungs-Ministranten und Corona-Kollaborateure
werden sicher nicht tatenlos zusehen, wie nun ihre
Geschäftsmodelle absaufen, weil das Land immer noch recht stabil
ist und sich ihre Schreckensvisionen nicht eingelöst haben.
Andrerseits sind etliche gesellschaftliche Bereiche natürlich
massiv beschädigt worden.
Jörg Vogeltanz und Irina Karamarkovic: mit versierten
Kräften an den offenen Fragen arbeiten
Ich gehöre einem davon an, dem
Kulturbetrieb. Es ist kein Spaß, was die Krise daran bewirkt
hat. Das sorgte unterwegs für einige sehr schwere Stunden und
Tage. Soll ich es für ein Glück halten, daß ich aus den überaus
unfreundlichen letzten fünf Jahren für diesen Lockdown
vorzüglich trainiert war, um schwere Stunden zu ertragen? Na,
vielleicht…
Egal, wir gehen durch Krisen, um Katastrophen
zu vermeiden. Das bleibt eine Orientierung nach meinem
Geschmack. Dabei nützt mir dieser aufgeklärte Voyeurismus gar
nichts, in dem sich manche ergehen, die mir via Social Media
über die volle 24/7-Länge Kummer-Meldungen aus aller Welt
aufdrängen.
Diese von Wissen um die Welt triefende
Betroffenheitsgymnastik erscheint mir als eine Ersatzhandlung.
Ich brauch kognitiv bewältigbaren Wissensgewinn und die
Verständigung mit inspirierten Menschen, denen ihr
Kräftehaushalt kein Rätsel ist. Ich brauch Kozentration auf
Kompetenzen, so daß wir in Teilbereichen an Lösungen einiger
Probleme arbeiten können.
Das heißt auch, weder will noch
kann ich mich auf alle Probleme von Relevanz einlassen. Deshalb
muß ich auch nicht alles erfahren, was gerade schiefgeht. Wo die
Anmaßung derer, von denen ganze Bevölkerungen in Unglück
gestürzt werden, sich mit der Überheblichkeit jener trifft, die
sich mit allem beschäftigen wollen, wird nichts entstehen, was
mich interessieren könnte.
Wir sind noch mitten im
Sammeln von Erfahrungen mit dieser Pandemie und was wir als
Gesellschaft brauchen, um auf eine unsichtbare Bedrohung
angemessen zu reagieren. Daß manche jetzt schon mit „Wahrheiten“
hausieren, mit Nachrichten, wie es „wirklich“ sei, ist eine
Zumutung.
-- [Die
Novelle] -- |