15. Juni 2020
Ich habe nun genauer hingehört. Viele
sprechen von sich selbst als Schwarze. Das reicht mir zur aktuellen
Begriffsklärung. Die Hautfarbe ist etwas Sichtbares, das nicht tiefer
reicht, als eben an der Oberfläche als Unterscheidungsmerkmal dienen zu
können. Merkmal wofür?
Hautfarbe klärt überhaupt nichts. Ebenso gut könnte man die
Haarfarbe zur Klassifizierung von Menschen nützen und hätte
damit doch bloß Aussagen über unterschiedliche Farben gemacht.
Man könnte Menschen nach der Schuhgröße oder dem Hüftumfang in
Gruppen einteilen.
Was wüßten wir dann? Na, der
Modeberatung wäre vielleicht mit all dem gedient. Auf den Wegen
aus dem Faschismus war unter anderem zu klären, daß der Begriff
Rasse ein Ideologieprodukt ist, nichts, was uns eine Auskunft
über biologische Fragen gibt.
In unserem Sprachgebrauch
ist heute von menschlichen Großgruppen die Rede. Die
Unterscheidung stützt sich auf sehr willkürlich gewählte
Merkmale. Die genetischen Unterschiede sind innerhalb von
Großgruppen erheblicher als zwischen diversen Großgruppen.
Um es deutlich zu machen: Schwarze haben untereinander, wie
auch Weiße für sich, eine größere genetische Vielfalt und
Unterscheidbarkeit, als sie zwischen Schwarzen und Weißen
besteht. Daher: Rasse ist eine Zuschreibung aufgrund willkürlich
gewählter Merkmale, ohne eine biologische Aussagekraft zu haben.
Rasse ist eine soziale Konstruktion.
Es leuchtet mir ein,
daß wir aktuell nicht von Rassenunruhen sprechen
sollten, wenn wir beschreiben, was der gewaltsame Tod von George
Floyd ausgelöst hat. Es protestiert keine Rasse gegen den
Vorfall, sondern Schwarze empören sich gegen rassistisch
begründete Polizeigewalt. (Andere habe sich ihnen in diesem
Protest angeschlossen.)
Ist diese Unterscheidung wichtig?
Wenn wir in solchen Begriffen ungenau sind, wissen wir nicht,
wovon wir reden. So oder so entsteht aber aus kursierenden
Begriffen gesellschaftliche Realität. Rassismus und
Polizeigewalt sind ein weltweites Problem.
Das paßt zu
einem Ensemble von innerfamiliärer Gewalt in epidemischen
Ausmaßen, verzahnt mit Gewalt gegen Frauen als einer
Haupttodesursache von Frauen weltweit, ferner einem der ganz
großen Tabus: die sexualisierte Gewalt gegen Kinder, von der
selbst Säuglinge betroffen sind.
Damit will ich sagen,
daß wir mit der Zähmung von Gewalttätigkeit viel zu tun haben.
Das hat einen ganz wesentlichen Schauplatz in der Arena
sprachlicher Konventionen, in der Begriffsbildung und in den
mediengestützten Diskursen.
Damit bin ich dann auch schon
beim Terrain, auf dem ich stehe. Vor Ort. Damit bin ich bei
einer Idee von Wissens- und Kulturarbeit, die sich solchen
Zusammenhängen stellt. Das ist nicht die Aufgabe von Kunst, denn
Kunst hat keine anderen Aufgaben als sich selbst gewidmet zu
sein.
Aber unsere Befassung mit Kunst schafft, schult und
verfeinert Kompetenzen, die es uns ermöglichen, auf solche
Zusammenhänge einzugehen. Naja, da tut sich grade nicht viel in
meiner Gegend…
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