14. Juni 2020

Die Filme der Nacht. In den stillen Stunden, bevor die Müdigkeit mich in den Schlaf drückt, sehe ich mir Streifen an, die mir mehrfach Eindruck gemacht haben, um zu überprüfen, wo ich angekommen bin.

Ich hab als Kind José Ferrer als Cyrano de Bergerac gesehen und erinnere mich bis heute, wie der stolze Kerl sich mit einem Schluck Wasser und einer Makrone begnügt, bevor er nach neuen Schwierigkeiten sucht.

Edmond Rostand schrieb das Stück 1897, in der Zeit, als das Fahrrad eben in Gestalt des „Niederrades“ eine soziale Revolution einleitete und die Optimierung der Dampfmaschine durch James Watt gerade die Erste Industrielle Revolution losgetreten hatte.

Nun hab ich mir erneut Depardieu in dieser Rolle angesehen. Cyrano ist ja mein Cousin. Der sture Hund und aussichtlos Liebende, wie er sich den Herrschaften nicht beugen will, wie ihn andere für einen dummen Romantiker und Grobian halten. Da ist in der achten Szene dieses bewegende Streitgespräch mit Le Bret, nachdem er wieder einmal Höhergestellte provoziert hat.

Le Bret: (kommt zurück, hebt verzweifelt die Arme) „Verflucht! Wie konntest du?!“ Cyrano: „Ach, du, schimpfst wieder mal!“ Le Bret: „Du stimmst mir doch wohl zu, Dass deine Art, wie du das Glück vergraulst, beileibe Nicht klug ist.“ Cyrano: „Ja, du hast ja recht, ich übertreibe!“ Le Bret: (triumphierend) „Ah!“


Cyrano bietet dann ein kleines Kolloquium an, in dem Fragen der Korruption behandelt werden, die Modalitäten, wonach Protektion vor Kompetenz geht. Und mögliche Gegenpositionen. Das gefällt mir derzeit wieder sehr, wo ich in meiner Region sehe, welche Kuschelposen im Kulturgeschehen grade Saison haben, welche Lieblichkeit vorherrscht, um… Na, Schwamm drüber!

Cyrano macht geltend: „Doch als Beispiel und als ständiges Prinzip, Da ist mir dieses Übertriebene sehr lieb.“ Le Bret erwidert: „Ließest du einmal deine Kampfeslust nur ruhen, Du könntest Ruhm und Reichtum...“ Tja, nicht mit meinem Cousin. Der Auftakt seiner Tirade:

Und was soll ich tun?
Mir einen mächt’gen Schutzherrn, einen Gönner finden,
Wie Efeu mich an einem Stamm nach oben winden,
Und ihm die Rinde lecken, wenn es vorteilhaft?
Durch List nach oben kommen statt durch eig’ne Kraft?
Nein, danke!

Jeden Vers, wie üblich bei so Vielen,
Mäzenen widmen? Stets den dummen August spielen,
Damit ich mir dadurch auf eines Höflings Miene
Ein Lächeln, das einmal nicht grimmig ist, verdiene?
Nein, danke!

Jeden Tag geduldig Kröten schlucken,
[…]

Sie verstehen, was ich meine und was mich bewegt? Ja, diese Position mag einem töricht erscheinen. Sie kann einem mit hohen Rechnungen quittiert werden. Man bekommt dafür keine Blumensträuße zugeschickt. Aber es ist wie in der Geschichte von Frosch und Skorpion. Und Cyrano, der alle Kriech- und Schlinggewächse verachtet, könnte – wie der Skorpion – sagen: "Es ist eben meine Natur."

-- [Hier ein ausführlicheres Zitat dieser Passage] --
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