5. Juni 2020
Es ist nun eine Woche
her, daß ich bei Freunden zu einem Abendessen eingeladen
war. Italienische Küche. Fünf Gänge. Dazu gehörte ein
exquisites Zitronen-Risotto, das mir beim ersten Versuch, es
nachzukochen, gründlich schiefging. Außerdem ein
süditalienisches Gericht nach dem Prinzip „mindestens acht
Gemüse im Topf“. Und feine Leber. Wein selbstredend. Was für
ein Kontrast zu meinen sonst eher etwas kargen
Küchenereignissen.
Ich habe schon mehrfach betont, jede Krise müsse für Augenblicke
auch ein Fest sein. Voila! Die Dinge entwickeln sich, auch wenn
ich dabei wachsende Orientierungsprobleme habe. Es zeigt sich
ein verwirrender Lauf der Dinge, der mich in meinem Verhältnis
zur Welt sehr unsicher macht.
Dies ist übrigens das Blatt
#2800 meines Logbuchs im Web. Als ich im Dezember 2003 damit
begonnen hab, machte sich gerade der Begriff Blog breit, mit dem
ich mich nicht anfreunden konnte. Daraus wurde dann auch Blogger
als Berufsbezeichnung, womit ich mich ebenfalls nicht einrichten
mochte.
Eben war ich noch Teil einer
Netzkultur-Avantgarde, plötzlich sehe ich mich als
Netzkultur-Neandertaler. Oder verhält es sich doch anders? Wenn
sich Influencer in einem Show-Programm feiern, auch so eine
skurrile Berufsbezeichnung, ahne ich: Goebbels hätte es
gefallen, daß Propaganda so fashionabel auftreten darf.
Aber kurz zurück zum erwähnten Abendessen. Wir waren zu viert,
der zweite Gast ein Mann aus der Medienbranche, den ich schon
lange kenne. Was manchen Menschen auffallend erscheint: seine
dunkle Haut. (Er wurde von einem schwarzen Besatzungssoldaten
gezeugt.)
Man kann von ihm erfahren, daß er bis heute erlebt, wie etwa
in einem Restaurant am Nebentisch ostentativ und gut hörbar
darüber gesprochen wird, daß „so jemand“ hier eigentlich
nichts verloren hätte. Er kennt, was ich bloß in Filmen
sehe. Er wird (fast) immer kontrolliert. Da ist diese kleine
Episode. Als er bei einer Einreise in die USA erstmals nur
den Paß zeigen mußte, dann nicht heraus- sondern
weitergewunken wurde, kamen ihm die Tränen.
An einer
Stelle unseres Gesprächs habe ich ihn gefragt: „Ist es
dir mehr eine Bürde oder eine Zumutung, wie die Leute
handeln?“ Als Teenager sei es ihm eine Bürde gewesen,
da habe es Momente gegeben, in denen er sich die dunkle Haut
gerne abgerissen hätte. Heute empfinde er es bloß noch als
Zumutung, der er gewachsen sei.
Zu diesen Stunden war
George Floyd schon tot, aber ich hatte die Nachricht davon
nicht bemerkt. Nun auch bei uns so starken Reaktionen auf
dieses rassistisch begründete Tötungsdelikt. Pose und Mimik
des Polizisten Derek Chauvin, während er auf dem Hals von
Floyd kniet, sind furchteinflößend.
Was einen
athletischen, bewaffneten Kerl bewegt, sein Körpergewicht
auf den Hals eines gefesselten Mannes zu legen, gibt keine
Rätsel auf. Das ist die Pose des Konquistadors, des
Überwältigers. Eine Herrenmenschen-Attitüde, die einem
unterworfenen Wesen den geringen Wert seines Lebens
demonstriert.
Natürlich ist das die völlige Pervertierung des
Gewaltmonopols, welches wir Organen des Staates überlassen,
um selbst Gewaltverzicht zu üben, aber eine Schlagkraft
gegenüber Aggressoren und Tätern bereithalten.
Der
Rassismus und die Menschenverachtung, wie sie aus so einem
Vorgehen sprechen, sind auch bei uns zu Hause. Der
Herrenmensch bildet sich über Ideologie heraus, über eine
Sprache voller Gewaltbereitschaft. Er sucht in
selbstreferentiellen Behauptungen seine Legitimation.
Das beginnt alles im Alltag, lange bevor Köpfe
eingeschlagen werden. Ich hab das gestern in „Rumpelstilz
und die Antisemitin“ skizziert. Da erklärt sich
einer zum „Antifaschisten“, verfängt sich aber gründlich in
einer präfaschistischen Pose der Gewaltsprache, zeigt via
Massenmedium einen Mangel an Impulskontrolle. (Man möchte
diesen Menschen in keiner Machtposition sehen.)
Es
ist der gleiche Geist der schließlich zu unterschiedlich
gravierenden Arten der Manifestation führt… und letztlich an
manchen Stellen tötet.
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