2. Juni 2020
Feste feiern
Autor Alfred Kolleritsch
wurde 89 Jahre alt und ich darf annehmen, er hatte ein erfülltes
Leben, in dem er beizeiten auch viel Anerkennung erfuhr. Philipp
Harnoncourt, ein Theologe von Rang, dessen Stimme nicht ungehört
blieb, wurde ebenso alt.
Künstler Christo ist über die 80
einige Jahre hinausgekommen, als er nun seiner Jeanne-Claude
folgte, die schon vor rund einem Jahrzehnt gegangen war. Die
beiden haben mit einem atemberaubenden Durchsetzungsvermögen
Ideen realisiert und ein Kapitel Kunstgeschichte geschrieben.
Max von Sydow wurde immerhin 91. Was er in manchen Filmen
ausdrückte, hab ich jederzeit vor Augen.
Hätte mir eine
dieser Personen persönlich nahegestanden, wäre ich mit Kummer
über den endgültigen Abschied und über die Trennung befaßt. Dann
aber hielte ich ein Fest für angebracht. Unausweichlich.
Da ich zu keiner der genannten Persönlichkeiten eine nähere
Beziehung hatte, könnte ich den Kummer beiseite lassen und
gleich zur Feier übergehen. Ich hoffe auf Zustimmung: wenn das
kein Grund für eine Sause ist, daß jemand 85, 90 oder mehr Jahre
alt wurde, vieles erleben wie bewegen konnte, dann weiß ich
nicht, wozu wir Feste kennen.
Aber vielleicht haben wir
keine brauchbare Vorstellung mehr davon, was ein gelungenes
Leben ist…
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