1. Juni 2020
Diesmal verlief meine
Teledrink-Session recht ruhig. Sie war in eine
Verdichtung schöner Momente eingehüllt. Ich mag sehr, was
ich derzeit bei einigen Menschen an schönen Zügen
feststellen darf und wie sich das auswirkt.
Was für
turbulente Wochen! Ich erlebe einerseits, daß mir manche
Sorgen ganz konkret und sehr physisch den Schlaf rauben. Ich
erlebe andrerseits, daß ich überaus achtsame Menschen um
mich habe und dabei in einer Art Fließgleichgewicht der
Aufmerksamkeit zu Hause bin.
Das bedeutet, in diesem Kreis, den niemand definiert hat, ist es
nicht üblich, individuell einfach abzuräumen, was man gerade
erwischt, egal, was den anderen bleibt. Ich staune! Der
Austausch und das Teilen bestimmten diese Situation, ohne daß es
jemand proklamiert hätte. Was für tröstliche Erfahrungen!
Was rundum die inhaltliche Arbeit angeht, haben wir mit
unseren Schreibtischen gute Werkbänke, flankiert von
Bücherregalen und Filmsammlungen. Die Webzugänge erweitern
unsere Möglichkeiten. Außerdem finden wieder konkrete
Zusammenkünfte im Realraum statt.
Pädagoge Franz Wolfmayr meinte kürzlich an einem gemeinsamen
Tisch, er traue niemanden so recht, der oder die gutes Essen
geringschätzt. Wie sollte es auch ein fruchtbares geistiges
Leben ohne sinnliche Bezüge geben?
Ich habe nun
übrigens begonnen, gegen jene obskure Mythenbildung
anzugehen, die sich in der aktuellen Krise gegenüber der
Wissens- und Kulturarbeit massiv offenbart. Was ist mein
Beruf und wovon handelt er?
Das scheint vielen
Menschen unklar zu sein. Also hab ich eine Notiz ins Web
gehängt. Hermann Maurer hat sich schon angeschlossen, andere
werden folgen. +)
Martin Krusche, Autor: Mein Beruf +)
Hermann Maurer, Wissenschafter: Mein Beruf
Der
Lockdown macht so vieles deutlicher, als es vorher sichtbar
war. Mir fallen drei Lager als gut unterscheidbar auf. Da
wäre eine Art Getöse-Fraktion. Lautstarke
Betroffenheitsgymnastik und starke Töne, aber keinerlei
allgemein verwertbares Was-auch-immer. Marktschreierei an
einem Marktstand, der nur eine Ware anpreist: den
Marktschreier.
Das scheint so eine Variante der Selbstoptimierer
zu sein, die sich gerne zusammenrotten; auch allerhand
Corona-Kollaborateure darunter, die dem
Virus auf seiner Reise durch die Welt weiterhelfen, indem
sie leugnen, was an Gefährdung inzwischen dingfest ist.
Dann wäre da eine Posen-Fraktion. Davon
hab ich ein paar Exponenten in nächster Nähe. Was die
während der letzten Wochen und Monate alles angekündigt und
an Vorhaben deklariert, sich selbst dabei in Pose geworfen
haben! Aber sie liefern nicht. Nun ist ihnen die Pandemie
eine gute Gelegenheit, die Schuld für ihren Lieferausfall
noch lauter anderen zuzuschreiben.
Dem gegenüber die
bunten Ensembles einer Profi-Liga, wo klar
ist: Professionalität kommt durch Arbeitszeit.
Genies von singulärer Exzellenz sind wir ja
alle, aber bloß daraus entsteht nichts. Das bedeutet gar
nichts. Die Mühen der Umsetzung machen den Unterschied.
Und einmal mehr zeigt sich an manchen Stellen, daß
manche Leute verstanden haben: Kooperation geht vor
Konkurrenz. Doch diese Klarheit kam nicht erst mit
der Pandemie.
-- [Lockdown] -- |