7. Mai 2020
Das Profilbild auf
Facebook als Statement. Naheliegend! Nun das frische
Angebot, um sein Profilbild aufzubrezeln, der Doppelslogan.
Zwei Botschaften. 1.: „Ohne Kunst wird’s still!“
2.: „kunstistauchsystemrelevant“.
Sollte ich
mir nun eventuell ein T-Shirt bedrucken lassen? Oder kann
ich wo eine Schleife für den Oberarm kaufen, ähnlich dem
gelben Stoffband mit den drei schwarzen Punkten? Meine erste
Reaktion war: „Geht’s noch?“
Meine zweite hält bis heute an: „Ihr könnt mich mal!“
Das ist ja völlig unter meiner Würde, mich jetzt mit so einem
Flehen zu dekorieren, das eine Pose zeichnet, wie sie Joachim
Ringelnatz in seinem Kindergebetchen angeboten hat: „Ich bin
ein armes Zwiebelchen, / Nimm mir das nicht übelchen.“ (Quelle)
„Ohne Kunst wird’s still!“ ist typischer
Werbesprech. Schwampf. Ein weiterer Ausdruck dieser
galoppierenden Durchökonomisierung all unserer Lebensbereiche.
Außerdem drückt der Satz eine sehr bescheidene Vorstellung
dessen aus, was Kunst in ihrem Anteil an der Conditio humana
ist. Die Kunst ist unter keinen Umständen still. Nie.
Wenn Kunstschaffende reihenweise pleite gehen, stellt das ein
großes Problem auf mehreren Ebenen dar, was mich übrigens als
Problemfall einschließt. Ich weiß schon, wovon da die Rede ist,
weil mich das nicht erst seit Covid-19 betrifft, sondern weil
sich dieser Zustand in zwei großen Sprüngen vertieft hat. Und
zwar landesweit, im Jahr 2010, dann 2015. (Das erläutere ich bei
Bedarf gerne noch einmal.)
Aber das deckt dieser Slogan
nicht ab. Er haut daneben. Ich möchte kurz daran erinnern, daß
Claudia Schmied (SPÖ) von 2007 bis 2013 Ministerin für
Unterricht, Kunst und Kultur war. In ihrer Schublade lag und
vergammelte eine Studie zur prekären sozialen Situation
Kunstschaffender in Österreich.
Kann mir noch jemand eine markante Reaktion der Regierung
auf diese Studie nennen? Ich schon. Die Umsatzsteuer für
künstlerische Arbeit wurde von 10% auf 13% angehoben. Das
war’s. So schaut es kulturpolitisch aus. Wie hat mein Metier
reagiert. Keine Ahnung!
Aber deshalb schweigt die
Kunst nicht und es wird auch nicht still um sie. Die Kunst
schert das nicht. Selbst wenn ich völlig pleite wäre, auf
der Straße säße, würde ich mich von den Kunst nicht
abwenden, meine Kunstpraxis nicht aufgeben. So ist die
Kunst. Das macht sie mit mir.
Daher versuche ich gar
nicht erst, die Kunst als Geisel zu nehmen, um ein kultur-
und sozialpolitisches Problem zu bearbeiten, der
Gesellschaft ihr Verstummen anzudrohen. Was für ein
Mumpitz! Was für ein Mangel an Selbstachtung!
Der
zweite Slogan ist völlig falsch:
„kunstistauchsystemrelevant“. Kunst ist keinesfalls
systemrelevant. Die Kunstschaffenden sind es. Die Kunst hat
keine solchen Funktionen. Das Kunstschaffen hat sie. Die
Kunst aber gilt immer noch als autonom, sich selbst die
Regeln gebend, sich selbst verpflichtet, nichts anderem.
Daran will ich unbedingt festhalten.
Meine
Kunstpraxis ist systemrelevant. Auf vielfache Art. In der
Kernfrage halte ich es mit Lüpertz. Es handelt von einem
Ringen um Qualität und Vollendung. Das teile ich übrigens
auch mit jedem guten Handwerker.
Ich sehe mich
folglich im Lager von Sir Oliver Mally. Der Musiker hat
kürzlich im Facebook eine Textstelle von Toni Morrison
zitiert: „This is precisely the time when artists go to
work—not when everything is fine, but in times of dread.
That’s our job!” Das stammt aus „No
Place for Self-Pity, No Room for Fear“ (In times of
dread, artists must never choose to remain silent.)
Toni Morrison, 2015.
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