2. Mai 2020
Als Knecht, als
Untertan, mußte man sich seinem Herren beugen. Es war in der
Regel tödlich, sich gegen seinen Fürsten aufzulehnen. Ich
lebe in Gleisdorf. Nahe dem Stadtzentrum liegt das Rennfeld.
Dieses Terrain wurde geschichtsträchtig, als dort der Graf
Herberstein mit seinen Mannschaften ein Bauernheer
niederschlug..
Der alte Kinderreim, wie wir ihn noch als kleine Rotznasen
gesungen haben, erzählt von den einst bindenden Hierarchien:
„Kaiser, König, Edelmann, Bürger, Bauer, Bettelmann…“ Ab dem
Jahr 1848 hatten unsere Leute dann Rechtsgrundlagen, dank derer
die Untertanen sich aufmachen konnten, um Bürgerinnen und Bürger
zu werden.
Freilich konnte man dabei leicht übersehen,
daß ein Individuum, wenn es aus alten Bindungen heraustritt,
sehr viel an Verantwortung für sich selbst übernehmen muß. Auch
das Aufgeben der ständischen Platzzuweisungen hat solche
Konsequenzen.
Damit meine ich: wenn nicht mehr ein
gesellschaftliche Stand, in den ich geboren wurde, meinen Platz
in der Gesellschaft bestimmt, kann es in nötigen
Klärungsprozessen abschnittweise sehr anstrengend werden.
Als ich in den 1970ern meinen Weg in die Kunst gegangen bin,
waren wir es rundum gewohnt, daß man gegen etablierte
Autoritäten anrennen konnte, ohne dabei sehr viel zu riskieren.
Man mußte wenigstens mit verbotenen Substanzen zu tun haben oder
zur Gewalttätigkeit neigen, daß man an Männer geriet, die einem
ohne Umschweife zeigten, wer hier cool ist und seine Ansichten
durchsetzen kann. Der Rest an Konflikten war eher moderat.
Wer seit damals mit seinen Autoritätskonflikten und mit
Fragen der Eigenverantwortung nicht wesentlich vorangekommen
ist, hat zum Beispiel im Kulturbereich ein merkwürdiges
Rollenkonzept etabliert.
In der demonstrativen
Verachtung von Politik, Verwaltung und Markt fordert man
wütend angemessenen Finanzierung der eigenen Existenz mit
öffentlichen Geldern. Bei Leuten zwischen Anfang 16 und
Mitte 20 würde mich das nicht weiter beschäftigen. Das
rüttelt sich zurecht.
Wer aber wenigstens Mitte 50
ist und immer noch so eine Nummer liefert, wird auf solche
Art zu einem kulturpolitischen Problem. Derlei brüllende
Inkohärenz bei gleichzeitigem Obskurantismus bezüglich der
eigenen Profession weist auf merkwürdige Art in die
Feudalzeit zurück.
Wofür genau wünscht man vom
Souverän beachtet und bezahlt zu werden? Worin besteht der
Leistungsaustausch? Was wäre an der Position das
Professionelle, um so einen Part von einem geschützten
Arbeitsplatz zu unterscheiden? Ich hab diesen Punkt noch
nicht verstanden.
Ich möchte festgehalten wissen:
Broterwerb ist keine Kategorie der Kunst, sondern eine
soziale Kategorie. Kunstpraxis ist eine Kategorie der Kunst.
Daß sie auch zum Broterwerb führen möge, wäre erfreulich,
ist aber die Ausnahme. Nur ein Bruchteil von Österreichs
Kunstschaffenden kann mit künstlerischer Arbeit ein
adäquates Jahreseinkommen erwirtschaften.
So oder so
wird man damit meist auf den Kunstmarkt und den
Kulturbetrieb angewiesen sein. Dazu wird man sich
Marktfähigkeit erarbeiten müssen, um Kohle zu machen. Auf
diesem Feld heißt der Souverän übrigens Kapitalismus. Wer
das negiert, bedient paradoxe Kommunikationssituationen, die
dauernd ins Leere führen.
Für eine
nächste Kulturpolitik werden wir nichts erledigt haben,
indem wir ein bedingungsloses Grundeinkommen fordern und die
Schattenseiten des Kulturbetriebs beklagen. Wir sollten
langsam darüber reden, welche Art geistiges Leben wir uns
für eine pluralistische Gesellschaft wünschen und was es
dazu bräuchte, wie es dazu kommen soll.
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