25. April 2020
Dem Franz
Wolfmayr’schen Diktum folgend kam der Tag voran: „Ja,
beim Risotto mußt du aber daneben stehenbleiben.“
Dieser Reis ist viel geselliger als der Basmati. Er möchte
mich als ständiges Gegenüber und noch allerhand andere
Früchtchen dazu, da wird es am Herd ziemlich gesellig.
Diesmal wurde es weißer Spargel. Und Trüffel-Öl. Dem ging eine
kleine Debatte mit Doris Ulrich voraus, die mir erstens
bezüglich des Ölpreises Trost zusprach und zweitens eine gut
nachvollziehbare Anleitung zuschickte. (Ich lerne in diesem
Lockdown viele Dinge.)
Es ist verblüffend, wie sich
Spargel und ein Hauch Knoblauch geschmacklich mit dem Trüffel-Öl
verbinden, um durch den Risotto-Reis epische Breite zu gewinnen.
Ich bin in einem Lebensabschnitt angelangt, wo einem der Alltag
nur mehr selten einen Moment liefert, den man als ein erstes Mal
erlebt. Dieser Geschmack war ein bewegendes erstes Mal.
Es gab auch einige dezent Reaktionen bezüglich der schönen
Zutaten, denn es macht Freude, die anzusehen; den Cava in der
Version Carta rosado eingerechnet. Die Dichter und das
Geld. Oder überhaupt: Kunstschaffende.
Na freilich! Mein Leben, in dem über Jahrzehnte die
Selbstbestimmung so großen Vorrang hatte, stellt mir
manchmal hohe Rechnungen aus. Wer wollte mich darüber klagen
hören? Nicht einmal ich selbst! (Nein, das ist nicht immer
lustig.)
In den letzten Tagen waren
plötzlich noch zwölf Euro auf dem Konto und zwei Scheine in
meiner Tasche. Blöd gelaufen! Zu dem Zeitpunkt hatte ich
freilich schon die Standards gebunkert: Reis, Kartoffeln,
Nudeln und etwas Brot. Eier. Butter.
Das ist nicht
erst jüngst der Fall, das war schon vor vierzig Jahren so,
als ich losgezogen bin, um in die Kunst zu gehen. Diese
Momente kehren wieder. Plötzlich ist kein Geld mehr da.
Freitags brachte mit Kerstin Feirer ein Stück Osterfleisch
vorbei. Was sollte mir also passieren?
Es gibt einen
emotionalen Basismodus, in den ich mich schalten kann, wenn
es so eng wird. Das gehört zu einer Existenz wie meiner. Ich
bin Dichter. Mit Gedichten verdient mein keinen
Lebensunterhalt. (Außer man ist Pablo Neruda.)
Also
habe ich Strategien. Für meine samstägige
Tele-Drink-Session, mit der ich nun jede Lockdown-Woche
verabschiede, hätte noch eine Dose Bier bereitgelegen. Mehr
nicht. Dann kam aber doch noch ein ausständiges Honorar
herein und kippte die Situation in einen freundlicheren
Abschnitt. Nun also derlei kühne Ausgaben für das
Spargel-Trüffel-Risotto? Warum sollten alle Menschen das
verstehen?
Aber ich gebe gerne ein paar Hinweise.
Natürlich habe ich einen straffen Finanzplan. Ich führe dazu
eine Art Haushaltsbuch, weil es mir sonst nicht möglich ist,
meine streng gesetzten Wochenlimits zu kontrollieren. Was
ich dieser Tage mehr ausgebe, muß ich anschließend
einsparen.
Ich kenne Deppen, die diesen simplen
Mechanismus nicht verstehen und folglich wehklagend
untergehen. So eine Pose möchte ich mir nicht zumuten. Also
ein strikter Plan. Der stärkt die Selbstbestimmung. Aber der
teure Einkauf?
Ich erklär es ja schon. Erstens muß
jede Krise auch für Momente ein Fest sein, denn sonst
verzweifelt man. Zweitens tut eine große Geste der Haltung
gut. Drittens ist ein sinnliches Vergnügen Balsam für die
Selbstachtung.
Daher so ein festliches Mahl, auch um
den Preis, hinterher einige Tage länger von tristeren
Speisen satt zu werden. Das ist ohne jedes Geheimnis, aber
mit erheblichem Zauber.
-- [Lockdown] -- |