23. April 2020

Zerbrechlich bleiben!

Es ist merkwürdig, einerseits war mir die Stille schon zu viel, andrerseits hatte ich eben noch eine spürbare Barriere vor mir, unter Menschen zu gehen. Das ist nicht in den Viren begründet, da wir uns sehr gut schützen können, wenn wir weiterhin einige Regeln beachten. Aber ich merke an mir, wie es sich die Sehnsucht nach Geselligkeit und die Scheu vor Gesellschaft miteinander gut eingerichtet haben.

Eine Gewißheit ist mir in den letzten Tagen immer deutlicher geworden. Nur wenn wir zerbrechlich bleiben, ist das Leben erträglich, obwohl einen genau das jeder Anfechtung härter aussetzt.

Zugegeben, das ist mir selbst oft nicht geheuer. Ich erweitere inzwischen meine Rundgänge und im Gehen stellt sich langsam wieder Mühelosigkeit ein. Kleine Gespräche unterwegs. Gestern diese eigenartige Begegnung.

Ich hab ein winziges Mädchen kennengelernt, kaum drei Jahre alt, dessen Mutter seufzte, weil die Kleine alles betrachten, erkunden will, also in der Stadt kein Weiterkommen ist. Während einer Plauderei in überschaubarer Runde hab ich dieses drahtige Wesen beobachten können, um etwas zu bemerken, was ich vergessen hatte.

Der ganze Körper spricht. Das Mädchen ist im Reden, altersbedingt, noch bei keinen komplexen Sätzen angekommen. Aber vermutlich ließe sich aus Körperhaltungen, Gesten und Mimik ein komplettes Vokabular ableiten.

Und diese überbordende Lebendigkeit. Während ich in mir oft nach Kraftreserven suche, scheint die Kleine ein Übermaß an Kraft zu verströmen. Während ich mir etwas vornehme, es manchmal vor mir herschiebe, muß sie zwischendurch gebremst werden.

Das war ganz beiläufig eine feine, kleine Standortbestimmung. Ein kurzer Blick auf verschiedene Positionen in diesem Verlauf des Erblühens und Verlöschens. Verstehen Sie mich recht, es lag nichts Trauriges darin. Ich hab dort sehr vergnügte Minuten verbracht.

Dann war der Augenblick, da dieses winzige Mädchen seinen Arm zu mir heraufstreckte, um mir ein Bonbon zu schenken. Als würde die Kleine sagen: „Da wartet so viel Leben auf mich, ich muß dich zurücklassen. Aber hier, nimm das noch.“

Ich bin mit einem ganz ruhigen Gefühl nach Hause gegangen, daß sich wesentliche Verläufe von solchen Krisen wie dieser Pandemie nicht erschüttern lassen. Und, ja, wir sollten zerbrechlich bleiben, damit sich das Leben lohnt.

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