21. April 2020
Okay, Boomer
Ich mag dieses Stück
Erinnerung sehr. In der gesamten Menschheitsgeschichte hatte
keine einzige Generation vor uns 1950er Jahrgängen im Aufwachsen
ein vergleichbares Maß an Sicherheit, Freiheit und Wohlstand.
Daran ändert auch die Overkill-Kapazität des Kalten
Krieges nichts, weil sie nicht schlagend wurde. Was unter
unseren so günstigen Lebensbedingungen im westlich geprägten
Europa alles entstehen konnte, brachte Ende der 1970er Jahre
hervor, was wir heute noch freie oder autonome
Initiativenszene nennen.
Unser Leben in einem
sicherheitspolitischen Protektorat der USA, begünstigt durch
einen aggressiven Kapitalismus, bot uns Anlässe zur
Auseinandersetzung mit Faschismus und kolonialen Raubzügen.
Das hatte innerhalb der Initiativenszene einen merkwürdigen
Effekt. Kooperationen in einer Praxis des Kontrastes haben
einerseits das kulturelle Leben des Landes verändert.
Andrerseits wurde „Solidarität“ zu einem Schmuckstück,
das man sich heute als Accessoire ansteckt.
Wenigstens
seit dem Jahr 2000 wurde das in meiner Region zunehmend zu einer
Pose, zu einer leeren Geste; mehr noch: zu einem Topos der
PR-Arbeit. Parallel dazu fehlen mir mindestens seit dem Jahr
2000 relevante kulturpolitische Diskurse, wo insgesamt weite
Bereiche der Politik zu Public Relations verkommen sind.
Sowas klappt natürlich nur, solange man Depots plündern kann,
solange die Ressourcen dafür reichen. Mir scheint, dieser dumme
Spuk hat eben geendet. Mit dem Lockdown beginnt eine Ära, in der
sich nun schneller zeigen wird, ob jemand auch kann, was er oder
sie sagt.
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